Wildkatzen sind zurück in Baden-Württemberg

Nachfolgend wird eine geringfügig veränderte und gekürzte Pressemitteilung des BUND Baden-Württemberg dokumentiert.

„Durch eine umfassende Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass die seit 1912 in Baden-Württemberg ausgestorbenen Wildkatzen wieder in den Wäldern des Landes umherstreifen. Im Gebiet rund um den Kaiserstuhl und im Nordschwarzwald wurden diese scheuen Einzelgänger durch genetische Untersuchungen eindeutig nachgewiesen. Dieser Nachweis ist der hervorragenden Zusammenarbeit der staatlichen Forschungseinrichtungen, dem BUND und seinen ehrenamtlichen Helfern sowie der Jägerschaft zu verdanken“, sagten der Minister für Ernährung und Ländlichen Raum, Peter Hauk MdL, und die BUND-Landesvorsitzende, Dr. Brigitte Dahlbender, am Montag (2. Februar) bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse in Ihringen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald).

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) konnte für den Bereich Kaiserstuhl und angrenzende Rheinauen ein Wildkatzenvorkommen (Felis s. silvestris) nachweisen. Der Nachweis gelang auf den Gemarkungen Sasbach (Landkreis Emmendingen), Vogtsburg, Breisach und Hartheim (alle Landkreis Breisgau Hochschwarzwald). Der BUND hat die Wildkatze auf der Gemarkung Baden-Baden nachgewiesen. Dieser Befund hat sich bei den für die Planungen zur Anbindung des Baden-Airports an die Autobahn A 5 erforderlichen Untersuchungen bestätigt. Auch in weiteren Gemarkungen im mittelbadischen Raum, im Stromberg und im Odenwald werden Wildkatzenvorkommen vermutet. Genauere Untersuchungen laufen derzeit.

Mit dem Generalwildwegeplan des Landes Baden-Württemberg und dem bundesweiten „Rettungsnetz Wildkatze“ des BUND, dessen Schirmherrschaft im Land Minister Peter Hauk übernommen hat, liegen nun wichtige Grundlagen vor. „Ziel dieser Planungen ist es, Lebensräume von Waldtieren wie der Wildkatze großräumig zu vernetzen. Diese Planungen werden auch im Generalverkehrswegeplan berücksichtigt“, betonte Minister Hauk. „Nachdem nun die Vorkommen bestätigt sind, muss die Frage der besseren Vernetzung der Lebensräume geklärt werden. Um die Wildkatze und andere mobile Arten zu schützen, muss die Landesregierung die Umsetzung dieser Pläne auch finanziell unterstützen“, forderte die BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender.

Nachdem 2006 und 2007 zwei am Kaiserstuhl überfahrene Katzen anhand genetischer Untersuchungen als Wildkatzen identifiziert wurden, haben die Wildforschungsstelle in Aulendorf, die FVA und der BUND Landesverband eine systematische Fahndung nach der Wildkatze vereinbart. Dabei konzentrierte sich die FVA auf das Gebiet rund um den Kaiserstuhl, der BUND auf die Region Mittelbaden/Nordschwarzwald und die Wildforschungsstelle Aulendorf auf den Odenwald und Stromberg. Durch Umfragen bei den Jägern und Lebensraumanalysen wurden mögliche Lebensräume der Wildkatze in Baden-Württemberg erhoben. In diesen Regionen wurde das Wildkatzenvorkommen untersucht. „Alle Untersuchungen konnten nur in enger Kooperation mit der örtlichen Jägerschaft durchgeführt werden. Die Beobachtungen der Jäger waren bei der Auswahl der Standorte für die Lockstöcke eine große Hilfe“, ergänzte Hauk.

Die Untersuchung erfolgte mit der Baldrian-Lockstockmethode. Bei dieser Methode werden die Katzen durch den Geruch des Baldrians angezogen und hinterlassen beim Reiben an angerauten Holzstöcken Haare. Anhand der gesammelten Haare kann eine genetische Artzuordnung durchgeführt werden. Das Untersuchungsgebiet der FVA erstreckte sich in den Auwäldern der Rheinebene von Hartheim bis nach Sasbach, einschließlich des Kaiserstuhls. Insgesamt wurden auf einer Fläche von 13.882 Hektar 55 Lockstöcke aufgestellt. An diesen konnten 143 Haarproben gesammelt werden. Erste Analysen der aus den Haaren gewonnenen DNA zeigen, dass es sich bei 77 der insgesamt 79 bisher untersuchten Proben aus dem Kaiserstuhl und den angrenzenden Rheinauen um Wildkatzenhaare handelt.

Der BUND führte Lockstockuntersuchungen mit seinen ehrenamtlichen Helfern durch. „Fünf der bisher untersuchten 14 Proben, die an den 43 Lockstöcken gesammelt wurden, beweisen, dass die Wildkatze nicht nur am Kaiserstuhl, sondern auch im Nordschwarzwald lebt. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Lebensräume vor allem in dieser Region vernetzt werden, um den Wildkatzenbestand dauerhaft zu sichern“, sagte die BUND-Landesvorsitzende. „Bei den noch laufenden Untersuchungen für die anderen Landesteile kann mit weiteren Nachweisen gerechnet werden“, ergänzte der Minister.

Die bisherigen Ergebnisse lassen noch keine Rückschlüsse auf eine genaue Individuenzahl zu. Dieser Schritt erfordert weitergehende Analysen, die in den kommenden Monaten durchgeführt werden. Dennoch kann in den von der FVA beprobten Gebieten schon jetzt von einer Wildkatzenpopulation und nicht nur von einzelnen Individuen gesprochen werden. „Die Einstufung der Wildkatze als ausgestorbene Tierart in Baden-Württemberg kann also revidiert werden. Dies ist ein Erfolg gemeinsamer Anstrengungen“, erklärten Hauk und Dahlbender und hoben die Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit dem ehrenamtlichen Naturschutz und den Jägern hervor.

Biologie der Wildkatze:
Die Wildkatze (Felis silvestris silvestris) ist ein Bewohner weiträumiger, strukturreicher Areale, welche durch einen hohen Waldanteil gekennzeichnet sind, wobei Laubwälder bevorzugt werden (u.a. Auwälder). Die Nahrung der Wildkatze setzt sich zu 80 Prozent aus Kleinsäugern, hauptsächlich aus Wühlmäusen, zusammen. Selten greift die Wildkatze bei ihrer Nahrungssuche auf Vögel, Kaninchen oder Insekten zurück und nur bei starker Nahrungsknappheit auch auf Aas. Die männliche Wildkatze, der Kuder, durchstreift bei seiner Nahrungs- und Partnersuche Gebiete bis über 1000 ha, das Streifgebiet der weiblichen Katze beträgt im Durchschnitt 500 ha. Als einzelgängerische und äußerst heimliche Tierart, ist sie nur sehr schwer zu Beobachten. Allein aufgrund äußerer Merkmale ist eine Unterscheidung zwischen der Wildkatze und der getigerten Hauskatze kaum möglich. Charakteristische Merkmale des seltenen Waldbewohners sind sein sehr buschiger Schwanz mit der typischen, schwarzen Dreier-Ringelung und der schwarzen Schwanzspitze, sowie der erst zwischen den Schulterblättern beginnende Aalstrich und das stark verwaschene Tigermuster der Flanken.

Baldrian-Lockstockmethode:
Weder eine Beobachtung noch das Foto einer Wildkatze können, aufgrund der Verwechslungsmöglichkeit mit der getigerten Hauskatze, als Artnachweis dienen. Man benötigt daher genetisches Probenmaterial, anhand dessen man eine eindeutige Artzuordnung im Labor durchführen kann. Zum Nachweis der Wildkatze wird deutschlandweit die Baldrian-Lockstockmethode angewandt. Mit Hilfe dieser Methode erhält man Haarproben der Tiere, ohne diese dabei in ihrem natürlichen Verhalten zu stören. Bei der Baldrian-Lockstockmethode werden angerauhte Holzlatten (sogenannte Lockstöcke) mit Baldrian besprüht und an ausgewählten Standorten aufgestellt. Die Katzen werden durch den Geruch des Baldrians angelockt und die Katzen reiben sich an den Lockstöcken, wobei Haare zwischen den Holzsplittern hängen bleiben. Diese Haare müssen in einem Abstand von ein bis zwei Wochen regelmäßig abgesammelt werden. Anhand dieser Haare kann dann im Genetiklabor eine eindeutige Artzuordnung durchgeführt werden.

Genetische Analysen:
Durch die Analyse der mitochondrialen DNA (mtDNA) kann eine Haarprobe der Wildkatze bzw. der Hauskatze zugeordnet werden. Im ersten Schritt wird die gesamte DNA aus den Haaren extrahiert. Dann werden zwei Art-spezifische Bereiche der mitochondrialen DNA vervielfältigt. Nach weiteren Zwischenschritten folgt eine Sequenzanalyse, bei der die Basenabfolge des vervielfältigten DNA-Abschnittes bestimmt wird. Die so erhaltene Sequenz wird durch den Abgleich mit einer so genannten Referenzsequenz einer Tierart zugeordnet. Die Untersuchung der mitochondrialen DNA gibt keinen Aufschluss über die genaue Anzahl der Individuen. Erst durch die anschließende Analyse der gesamten Kern-DNA ist eine Bestimmung der genauen Individuenzahl, sowie die Beantwortung Populationsgenetischer Fragen (Verwandtschaftsverhältnisse, Wanderbewegungen) möglich