Thüringen: 15 Jahre Bohn-Sieckmann-Trasse

Nachfolgend wird eine geringfügig gekürzte und veränderte Pressemitteilung des NABU Thüringen dokumentiert.

Rückblick des NABU Thüringen zum Kompromiss der B 62 Werraquerung

Eigentlich müssten die lärmgeplagten Anwohner der B 62 längst ruhig schlafen können. Heute am 15. April, genau vor 15 Jahren, war es schon soweit: eine naturverträgliche Kompromissvariante zur B 62 Werraquerung war gefunden und beschlossene Sache. Hätten sich die zuständigen Behörden Thüringens an die vorhandenen Gesetzlichkeiten gehalten, ihre Hausaufgaben gemacht und wären der Kompromissvariante von 1994 treu geblieben, könnte die aufgeständerte Kompromissvariante der Werraquerung zwischen Barchfeld und Bad Salzungen schon längst fertig sein.

Die sogenannte Bohn-Sieckmann-Trasse war vom jetzigen Ende der Ausbaustrecke bei Bad Salzungen in der Nähe von Ettmarshausen, östlich von Erlensee und dem Werrabogen am Neuroth zum Eisberg zwischen Barchfeld und Witzelroda geplant. Die Streckenführung würde das damals einstweilig gesicherte Naturschutzgebiet und die geplante Erweiterung der Kiesabbaufläche etwa zu gleichen Teilen beschneiden und die künftige Grenze zwischen beiden Nutzungen bilden. Ein Kompromiss, der heute wie damals von Seiten des NABU Thüringen getragen wird.

Doch am 4. Mai 1999 jubiliert Landrat Martin Kaspari als er den neu beschlossenen Raumordnungsplan Südthüringen vorstellt: „Etwas ganz wichtiges ist entschieden worden, und kaum jemand hat es bisher bemerkt.“. Die Regionale Planungsgemeinschaft Südthüringen hat in erster Linie aus Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen des Kiesabbaus eine Variante mitten durch das geplante Naturschutzgebiet nördlich des Erlensees und gegen die ausdrückliche Warnung der Präsidentin des Thüringer Landesverwaltungsamtes raumordnerisch festgelegt. Damit ist der Kompromiss offiziell beerdigt.

Noch im Juli 2001 träumen die Verantwortlichen von einem nahen Baubeginn. Im März 2002 deutet sich an, dass es so schnell mit der Werraquerung nichts werden wird. Thüringen sowie ganz Deutschland hinken bei der Umsetzung der EG-Vogelschutzrichtlinie weit hinterher und Vogelschutzgebiete müssen ausgewiesen werden. Der Bereich um den Erlensee, einer der bedeutendsten Lebensräume Thüringens für Wachtelkönig, Blaukehlchen und Weißstorch, gehört dazu.

Nach emotionsgeladener und wenig sachkundig geführter Diskussion in der Öffentlichkeit wurden schließlich Vogelschutzgebiete und meist deckungsgleiche Flora-Fauna-Habitat (FFH) -Gebiete in das Natura 2000-Netzwerk der Europäischen Union aufgenommen und ab dem Frühjahr 2003 durch die Straßenbauverwaltung eine neue Variante 1a für die Werraquerung favorisiert. Diese nähert sich zwar wieder der Bohn-Sieckmann-Trasse an, verkleinert aber den Bereich des geplanten Naturschutzgebietes weiter und führt in entscheidenden Teilbereichen (Werraufer, Werrabogen am Neuroth, Witzelrodaer Schweiz) zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebietes.

Trotz vielfacher Einsprüche und Verweise auf Lösungsmöglichkeiten in Anlehnung an den alten Kompromiss durch den NABU Thüringen leitet das Straßenbauamt Südwestthüringen im Februar 2006 das Planfeststellungsverfahren für die Variante 1a in überwiegender Dammbauweise ein. NABU, BUND, die Grüne Liga, der Arbeitskreis Heimische Orchideen und die Naturschutzbeiräte aller berührten Behörden wenden sich in ihren Stellungnahmen wegen Verstößen gegen zahlreiche Normen des Umweltrechts (Artenschutz, Habitatsschutz, Hochwasserschutz) gegen das Vorhaben in der vorgelegten Form und verweisen auf Alternativen in Anlehnung an den alten Kompromiss und in aufgeständerter Bauweise. Das Umweltministerium verweigert schließlich die Benehmensherstellung zur ausgelegten Planung.

Im November 2008 hat der NABU Thüringen auch die Behauptung widerlegt, Entschädigungsansprüche des Kiesabbauunternehmens würden der alten Kompromiss-Variante entgegenstehen. Allerdings deuten alle Signale, die man bisher Verlautbarungen der Presse und den Kontakten mit den zuständigen Naturschutzbehörden entnommen hat, darauf hin, dass es seit 2006 zu keinen greifbaren Veränderungen der Planung gekommen ist, sondern die Konflikte nur „gutachterlich bearbeitet“ wurden. Ob ein solches Vorgehen, die planungsrechtliche Genehmigung der Werraquerung in greifbare Nähe rückt, wird vom NABU bezweifelt, denn die gravierenden Eingriffe in das Ökosystem und die naturschutzrechtlichen Probleme lassen sich nicht wegdiskutieren.

Wer die Straße wirklich will, muss nun zügig zum Kompromiss zurückkehren, appelliert der NABU nochmals an das Straßenbauamt Südwestthüringen bzw. an die verantwortlichen Stellen in den Thüringer Ministerien. Der NABU Thüringen wird einer weiteren Verschlechterung des naturschutzfachlich bereits schmerzhaften Kompromisses jedenfalls nicht tatenlos zusehen.

Eine ausführliche Pressemitteilung zur Kompromissvariante finden Sie im: Kalenderblatt (PDF, 65 KB)

Infos zur Werraquerung gibt es unter: www.werraquerung.de.