Stellungnahme von AGF und BUND zum Kieler Waldkonzept

Wald verkommt in Kiel zur Spekuliermasse -Beispiel: Nicht mehr vorhandener Pionierwald an der Kieler Hörn, der für das Zentralbad geopfert wurde.
Wald verkommt in Kiel zur Spekuliermasse -Beispiel: Nicht mehr vorhandener Pionierwald an der Kieler Hörn, der für das Zentralbad geopfert wurde.
Stellungnahme der Arbeitsgruppe Fledermausschutz und Fledermausforschung Kiel (AGF), BUND-Kreisgruppe Kiel, des BUND-Landesverband Schleswig-Holstein zur Beschlussvorlage „Waldkonzept“ – Drucksache 0290/2014
In der Ratsversammlung am 15.05.2014 plant die Landeshauptstadt Kiel die Forsteinrichtung des Stadtwaldes fortzuschreiben und damit verbunden, ein neues Konzept für die Bewirtschaftung des Kieler Stadtwaldes zu verabschieden (Drs. 290/2014). Nach Kritik von Naturschutzverbänden an früheren Vorlagen und nach öffentlichen Einwänden einer Bürgerinitiative, sollte das Waldkonzept ursprünglich in einem gemeinsamen Dialog mit Bürgern und Verbänden entwickelt, abgestimmt und erarbeitet werden.

Nach mehreren Gesprächen zwischen Grünflächenamt und Umweltschutzamt auf der einen und Vertretern der Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen auf der anderen Seite, zuletzt sogar moderiert von einem bundesweit und international anerkannten Forst-Experten, hatte man sich auf eine stärkere Betonung der Naturnähe sowie auf die Schutz- und Erholungsfunktion des Stadtwaldes verständigt; forstwirtschaftliche Aspekte sollten in den Hintergrund treten (siehe Protokolle GFA). Das vereinbarte gemeinsame Vorgehen wurde jedoch plötzlich ohne Begründung und ohne die Verbände und Initiativen zu informieren von Seiten der Verwaltung einseitig aufgekündigt.
Wir betonen, dass die jetzt vorliegende Verwaltungsvorlage in keiner Weise das Ergebnis einer gemeinsamen Abstimmung oder Kompromissfindung im Zuge der Erörterungen reflektiert, wie zwischenzeitlich mehrfach von Verwaltungsseite und vom Dezernenten in den Ausschüssen behauptet wurde. Der Dialog wurde tatsächlich ohne ersichtlichen Grund abgebrochen, die gemeinsam erarbeiteten Inhalte wurden ignoriert.
Die jetzige Vorlage unterscheidet sich zudem fachlich gesehen nur unwesentlich von der im letzten Jahr zurückgezogenen Vorlage (Drs. 314/2013). Die vorgeblich mit der neuen Vorlage für den Naturschutz gemachten Zugeständnisse sind reine Augenwischerei und tragen nicht zu einer tatsächlichen Verbesserung bei (siehe Erläuterungen).

Der jetzt im Rat zur Verabschiedung stehende und in den Fachausschüssen trotz unserer Hinweise und Einwände bereits angenommene Vorlageentwurf wird von den Verbänden abgelehnt. Denn dort stehen nicht Ökologie, Natur, Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes im Vordergrund, sondern nach wie vor die Forstwirtschaft und Holzproduktion. Noch dazu eine äußerst fragwürdige Holzproduktion, die offensichtlich keinerlei Gewinne erzielt, sondern welche die Stadt Kiel jährlich mit mehreren zehntausend Euro subventioniert, und die durch ihren Eingriff stark zulasten der angesprochenen Gemeinwohlleistungen des Waldes geht.

Eine dringend notwendige umweltpolitische Debatte darüber hat zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Dies ist sehr zu bedauern, beraubt sich die Landeshauptstadt Kiel doch so der Chance, ein wirklich den Ansprüchen seiner Bürger gerecht werdendes, kosteneffizientes und zukunftsfähiges Konzept im Sinne einer umfassenden Daseinsvorsorge auf den Weg zu bringen. Wir appellieren daher an die Verwaltung, dass sie zu einem Dialog mit Bürgern und Verbänden zurückfindet. Für eine künftige Zusammenarbeit ist es dabei notwendig, dass jetzt keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Wir bitten die Ratsversammlung, trotz der bereits erfolgten Befürwortung durch die befassten Ausschüsse, die Vorlage in dieser Form so nicht anzunehmen, sondern sie an die Verwaltung zur weiteren Abstimmung im Dialog mit Bürgerinitiativen sowie Umwelt- und Naturschutzverbänden zurückzuüberweisen.

Inhaltliche Erläuterung:
Zur aktuellen Verwaltungsvorlage nehmen wir, die NABU-Ortsgruppe Kiel, vertreten durch die AGF-Kiel (Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz und -Forschung Kiel), die BUND-Kreisgruppe Kiel, sowie der BUND-Landesverband S-H, im Einzelnen wie folgt Stellung:

1. Das Konzept der Stadt folgt im Wesentlichen weiterhin ganz primär wirtschaftlichen Erwägungen. Und dies noch dazu vor dem Hintergrund, dass gar keine positiven Erträge erwirtschaftet werden (Aufwendungen für die Forstwirtschaft übersteigen regelmäßig die Einnahmen aus dem Holzverkauf).

2. Die Forstwirtschaft in Kiel ist defizitär und sie wird es auch nach der Umsetzung der aktuell in der
Verwaltungsvorlage vorgeschlagenen Maßnahmen bleiben.

3. Es werden nur in ganz marginalem Umfang Waldflächen neu aus der Nutzung genommen, um sie einer natürlichen, ungestörten Entwicklung zu überlassen. Diese Flächen werden jetzt verwaltungsseitig als „Altholzinseln“ bzw. noch schwächer „Nullnutzungsflächen“ sprachlich verbrämt. Der klar umrissene Begriff „Naturwaldfläche“ wird konsequent vermieden. Der geplante Schutzstatus dieser Waldflächen bleibt somit ebenfalls im Dunkeln. Konkret: In den aktuell laut Vorlage vorgesehenen etwa 4,8% Waldflächen, die als aus der Nutzung zu nehmende „Altholzparzellen“ bezeichnet werden, sind Nichtwirtschaftswald- Flächen auffällig stark überrepräsentiert (ca. 42 % der genannten 50,12 ha). Dies sind Bereiche, in denen ohnehin bisher keine oder nur extensive Nutzung stattfand. Auf diesen Flächen erfolgt somit faktisch keine Änderung des bisherigen Handelns. Weitere Splitterflächen, die jetzt aus der Nutzung genommen werden sollen, sind aufgrund ihrer speziellen Lage und Topografie oder der Bestandesstruktur schon bisher kaum bewirtschaftet worden (v.a. Uferbereiche Schwentine, Russee, Westrand Kronsburger Gehege). Es ist zwar durchaus sinnvoll, sie nicht mehr zu nutzen, und wir schlagen das ebenfalls – neben anderen, umfänglicheren Flächen – vor, aber sie taugen aufgrund ausgeprägter Randeffekte auch nur eingeschränkt als Naturwaldparzellen. Bei den übrigen etwa 21,6 Hektar tatsächlichen bewirtschafteten Waldflächen (Teilbestände Barkmissen und Hofholz), entsprechend ca. zwei Prozent der Kieler Waldfläche, handelt es sich um Flächen, die bereits in der jüngeren Vergangenheit extrem stark, teilweise unter erheblichem Verlust von Habitatbäumen, durchforstet worden sind (siehe FE Erläuterungstext K. Sturm, sowie kritische Würdigung im vom GFA in Auftrag gegebenen Habitatbaumgutachten von G. Möller, 2012), so dass auch hier in den kommenden Jahren und Jahrzehnten kaum mit substantiellen Nutzungsausfällen für die Forstwirtschaft gerechnet werden muss. Was nach dieser Zeit sein wird, bleibt in der Vorlage unbeantwortet, da kein rechtlich festgelegter Schutzstatus für diese Flächen angestrebt zu werden scheint. Von den wirklich in höchstem Maße wertvollen, schutzwürdigen Buchenaltbeständen, überwiegend auf historischen Waldstandorten, also gerade dort, wo sich in Kiel die größten naturschutzfachlichen Qualitäten finden (vgl. Habitatbaumgutachten G. Möller, 2012, und tw. eigene Daten, AGF-Kiel), dort werden nun faktisch keine Flächen aus der Nutzung genommen. Absolut schutzwürdige Flächen (gutachterlich belegt) im Hofholz, Russeer Gehege, Vieburger Gehölz, Kronsburger Gehege, etc. bleiben somit weiterhin ohne Schutz.

4. Anstatt weitflächig zusammenhängend Wald aus der Nutzung zu nehmen, schafft es Kiel nicht einmal, wenigstens zehn Prozent seiner Waldfläche dauerhaft zu schützen, und sie einer natürlichen Waldentwicklung zu überlassen, so wie es sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung fordern, und wie es von allen Umweltverbänden unisono als absolute Minimalvorgabe befürwortet wird. Stattdessen begnügt sich die Landeshauptstadt damit, kärgliche knapp zwei Prozent Waldflächen in bewirtschafteten Altbeständen aus der Nutzung zu nehmen. Diese Flächen sind nicht nach wissenschaftlich-fachlichen Kriterien (natur- und artenschutzfachlich, Habitätbaumdichte und -qualitäten, Bestandesalter und –Kontinuität, Erholungswert, etc.), sondern offensichtlich unter rein wirtschaftlichen Aspekten ausgewählt worden. Das speziell zu diesem Zweck als Entscheidungshilfe in Auftrag gegebene Habitatbaumgutachten erfährt keinerlei Berücksichtigung. Die Flächenauswahl sorgt nun dafür, dass im kommenden Jahrzehnt und vermutlich weit darüber hinaus, tatsächlich keinerlei Einschränkung beim Einschlag für die forstliche Nutzung zu „befürchten“ ist.

5. Die ferner von der Verwaltung in Aussicht gestellten Waldflächen, die nach Erreichen der „Optimalphase“ aus der Nutzung genommen werden sollen, stellen im Moment eine reine Absichtserklärung ohne jegliche heute aktuell bindende Wirkung dar. Und es erscheint uns schon sehr vermessen, einen solchen in der fernen Zukunft liegenden Flächenschutz überhaupt ernsthaft in die Vorlage einzubringen. Denn diese Flächen (Bereich Erlenkampsee/Projensdorf, und Lange Holm/Suchsdorf) haben frühestens, je nach Bestand, erst in 40 bis über 100 Jahren die Optimalphase erreicht. Sie sollten, wenn, dann sofort als Schutzflächen ausgewiesen werden, auf denen der naturnahe Waldumbau nicht ausgeschlossen ist, und nicht erst nach Erreichen eines zukünftigen „Wunschzustandes“. Da ein solcher sofortiger Schutzstatus nicht vorgesehen ist, sind diese Flächen daher aus der aktuellen Betrachtung der sogenannten Altholzparzellen insgesamt auszuklammern. Sie heute bereits in die „Altholzinseln“ einfach mit einzurechnen, ist schlichtweg unseriös und entspricht auch nicht den umweltpolitisch geforderten Maßnahmen. Die erfordern eine Umsetzung bis spätestens zum Jahr 2020 (Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt, BMU 2007). Deren jetzt von der Verwaltung verliehener Status als „zukünftige Altholzparzellen“ entfaltet, wie schon bei den oben genannten übrigen Flächen, keinerlei bindende Wirkung. Offensichtliches Ziel der Verwaltung ist es hier, lediglich die Zahlen auf dem Papier „gut“ aussehen zu lassen.
Diese Flächen langfristig naturnäher zu entwickeln war ohnehin bereits zuvor Handlungsvorgabe gemäß FE, ist also insofern nicht neu. Jedoch gibt es in Kiel naturschutzfachlich erheblich wertvollere Flächen in den Altholzbeständen, die bereits heute eine sehr hohe Naturnähe und schützenswerte waldökologische Qualität aufweisen. Diese Flächen sollten vorrangig – und umgehend – geschützt und aus der forstlichen Nutzung genommen werden.

6. Die Argumente, die die Stadt gegen eine Naturwaldausweisung in stark besuchten Bereichen anführt, sind nicht stichhaltig. Die von der Verwaltung bemüht konstruierte Konfliktsituation zwischen Naturwald und Erholungswald, existiert so nicht. Sie ist durch nichts belegt, ganz im Gegenteil, der Aspekt wurde hinreichend in den Gesprächen erörtert, und wir haben u.a. Beispiele anderer Kommunen aufgezeigt. Diese Argumentation der Verwaltung dient augenscheinlich allenfalls dazu, Begründungen dafür zu liefern, dass weiterhin auf ganzer Fläche in Kiel eingeschlagen werden kann. Ein flächenweiser Schutz unter Einstellung der forstlichen Nutzung in diesen Bereichen soll so mit fadenscheinigen Argumenten verhindert werden. Dabei steht der intensive Einschlag gerade der Erholungsnutzung diametral entgegen.
Das Nicht-Zulassen einer unbeeinflussten eigendynamischen Waldentwicklung in Kiel nun aber damit zu begründen, dass die Bestände auch von Waldkindergärten genutzt werden, ist an argumentativer Tollkühnheit kaum noch zu überbieten. Es zeugt jedenfalls von erheblicher Unkenntnis in der Sache. Ist es doch gerade Sinn und Ziel der Waldpädagogik, Kindern Naturerfahrung und Naturerlebnis in einem möglichst natürlichen Waldökosystem zu vermitteln. Das ist nicht durch intensiv forstlich genutzte, „aufgeräumte“ Wälder erreichbar, und verkehrt den Ansatz „Waldpädagogik“ ins glatte Gegenteil. Es erscheint geradezu grotesk, wenn ein Wald für die Nutzung durch Waldkindergärten „hergerichtet“ werden soll. Sicherheitsbedürfnis der Waldbesucher und besondere Sorgfaltspflicht der Pädagogen unbenommen – ein Wald kann niemals „sicher“ sein, auch nicht ein Wirtschaftswald. Falls die Verwaltung den Waldbesuchern gegenüber den Eindruck erwecken will, sie könne einen sicheren Wald oder bestimmte sichere Waldbereiche gewährleisten, so begibt sie sich damit gleichzeitig auf gefährliches juristisches Glatteis (siehe aktuelle einschlägige Rechtskommentierungen; BGH-Urteil vom 02.10.2012, Az. VI ZR 311/11). Aspekte der rechtlich notwendigen Verkehrssicherung bleiben, wie bereits in den Gesprächen mit der Verwaltung intensiv erörtert, davon unberührt. Denn die Verkehrssicherung hat mit dem Umfang der forstlichen Nutzung nichts zu tun. Sie ist auch sowohl organisatorisch wie auch haushalterisch aus der Forstwirtschaft ausgegliedert (siehe unten).

7. Die Kostensituation bleibt weiterhin unbeantwortet: Weist der Haushalt bzw. die zukünftige Planung bereits jetzt ein jährliches Defizit von etwa 22.000 bis knapp 40.000 EUR aus, so werden die geplanten, sicher gut gedachten Maßnahmen, die wir ebenfalls vom Grundsatz her befürworten, wie der Einsatz von Rückepferden und die Bewirtschaftung unter Verzicht auf Lohnunternehmen, zu weiteren Steigerungen auf der Kostenseite führen. Da die Forstwirtschaft aber bereits heute bei kostengünstigem Einsatz externen Personals keinerlei Gewinne und nur minimale Deckungsbeiträge abwirft, ist grundsätzlich die Sinnhaftigkeit einer (solchen) Bewirtschaftung des Kieler Waldes infrage zu stellen. Der Kieler Stadtwald ist primär ein (Nah-) Erholungs- und Schutzwald (Immissions-, Lärmschutz, Luftreinhaltung, Erosionsschutz, Schutz vor Überschwemmung, Grundwasserneubildung, Stadtklima, Bedeutung für Biodiversität und Artenschutz, usw.). Die Aufgabe einer kreisfreien, flächenarmen Stadt wie Kiel kann es dagegen nicht sein, eine subventionierte Holzproduktion zu betreiben. Das ist eine völlig fehlgeleitete Prioritätensetzung. Die Gemeinwohlleistungen des Kieler Stadtwaldes, je nach Schätzung in einer Größenordnung von Minimum zwei Millionen Euro p.a., vermutlich noch erheblich mehr (siehe unsere Ergänzung zum Protokoll des Abstimmungsgespräches vom 21. Januar 2014, im GFA), übersteigen in ihrem Wert die geringen Umsätze der Forstwirtschaft um ein Vielfaches (Ergebnis laut Haushaltsplan aktuell bis 2017: minus 21.900 EUR, bei veranschlagten Roherträgen von 94.100 EUR p.a.).
Wir betonen hier noch einmal – denn es hat sich in Gesprächen in den Fraktionen gezeigt, dass dieser Sachverhalt offensichtlich vielfach unklar ist: Die Kieler Forstwirtschaft erzielt keine Erträge, die in irgendeiner Weise Deckungsbeiträge zu anderen gemeinschaftlichen Aufgaben, wie z.B. der Verkehrssicherung oder des Wegeunterhaltes liefern könnten. Denn alleine die Aufwendungen für die Holzproduktion fressen bereits gänzlich die Einnahmen aus Holzverkauf wieder auf, und es muss noch zugesetzt werden. Daher sind bereits heute Aufgaben der Verkehrssicherung sowie der Planung, der Anlage und des Unterhalts von Waldinfrastruktur (Waldwege, Erholungseinrichtungen, Tiergehege, etc.) anderen Teilplänen im Haushalt zugeordnet (hauptsächl. Teilplan 551, 552). Diese Aufgaben fallen nicht in den Bereich der Forstwirtschaft (Teilplan 555 Forstwirtschaft mit dem Produkt 555001 – „Bewirtschaftung des stadteigenen Waldes zur Produktion von Holz und Nebenprodukten, incl. Verkauf“). Diese Aufgaben bleiben also bei einer Einschränkung oder sogar weitgehender Einstellung der Forstwirtschaft davon gänzlich unberührt!

8. Das städtische Konzept berücksichtigt in keiner Weise die Erholungsbedürfnisse der Bürger. Durch die unweigerlich störungsintensiven Forstarbeiten werden Begehbarkeit der Wege, das Waldbild und die Waldästhetik schwer beeinträchtigt. Insbesondere eine die Waldbesucher ansprechende Naturnähe mit der Möglichkeit, Naturerfahrungen im unmittelbaren urbanen Umfeld zu machen, ist in einem Wirtschaftswald nicht gegeben. Jüngste Studien legen deutlich dar, dass Bürger positiv konnotierte Begriffe wie „Wildnis“ mehrheitlich mit Wald in Verbindung bringen. Die Mehrheit der Bürger ist sich bewusst, dass es kaum „unberührte“ Natur in Deutschland gibt, und große Teile wünschen sich mehr Flächen dieser Art, vor allem in Wäldern (Naturbewusstsein 2013, BMU 2014). Mit mehr Naturwaldparzellen könnte Kiel hier einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten.

9. Der Aspekt Wald und Klimaschutz ist leider in den Gesprächen bisher noch überhaupt nicht erörtert worden. Auch in die politische Debatte in Kiel hat der Aspekt keinen Eingang gefunden. Die Holzproduktion ist gerade im Hinblick auf die anhaltend sinkende CO2-Speicherfähigkeit der deutschen Wälder äußerst kritisch zu sehen. Eine mittlerweile an die Grenzen der Nachhaltigkeit getriebene Holznutzung hat bereits dazu geführt, dass der Wald in Deutschland kurz davor steht, von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffquelle zu werden, oder es bereits geworden ist. Die wertvolle Kapazität des Waldes, einen Großteil klimaaktiver Gase aus der Landwirtschaft zu kompensieren, ist schon seit geraumer Zeit verloren gegangen. Seit 2012 gehen erstmals mehr als 50 Prozent des eingeschlagenen Holzes direkt in die thermische Verwertung. Damit ist der Ansatz einer regenerativ-klimaschonenden Holznutzung mittlerweile ad absurdum geführt. Wenn Wälder heute einen effektiven und sofortigen Beitrag zur Kohlenstoffbindung leisten sollen, dann muss deutlich mehr Holz im Wald verbleiben. Gerade alte Bäume und ungestörte alte Wälder haben ein großes Potential CO2 zu binden. Ein Gleichgewicht stellt sich in natürlichen Wäldern erst nach Zeiträumen von mehreren Jahrhunderten ein – solange entziehen die Wälder der Atmosphäre weiterhin effektiv CO2.
Wenn der Kieler Stadtwald also einen wirkungsvollen positiven Beitrag zu den Klimaschutzbemühungen leisten soll, dann muss der Einschlag drastisch reduziert, signifikante Flächen aus der Nutzung genommen oder die Holzentnahme aufgrund wirtschaftlicher Grenzkosten am besten ganz eingestellt werden.