Kiel: Umweltausschuss beschließt Wald(nutzungs)konzept

Wald verkommt in Kiel zur Spekuliermasse -Beispiel: Nicht mehr vorhandener Pionierwald an der Kieler Hörn, der für das Zentralbad geopfert wurde.
Wald verkommt in Kiel zur Spekuliermasse -Beispiel: Nicht mehr vorhandener Pionierwald an der Kieler Hörn, der für das Zentralbad geopfert wurde.
Beispiel für Intransparenz, Nicht-Bürgerbeteiligung und (höflich) fachliche Mittelmässigkeit: Das neue Kieler Waldkonzept ist auf den Weg gebracht. Verabschiedung für die Mai-Sitzung des Kieler Rates vorgesehen.

Vor der Kommunalwahl im Mai 2013 war es dem grünen Bürgermeister der Landeshauptstadt Kiel Peter Todeskino zu heiß geworden. Nachdem er die ihm untergebene Verwaltung beauftragt hatte ein Waldkonzept zu ersinnen, das eine gute ökonomische Verwertbarkeit des Kieler Stadtwaldes ermögliche sollte, zog er das Konzept aufgrund öffentlicher Proteste zahlreicher Menschen und Organisationen überraschend zurück. Vor etwa einem Jahr begründete er dies mündlich mit Abstimmungsbedarfen mit den Umweltverbänden. Das war aber allenfalls eine halbe Wahrheit.

Zum damaligen Zeitpunkt hatte es bereits zahlreiche Konsultationen mit AG Fledermausschutz, BUND und NABU gegeben, die inhaltlich mit dem Waldkonzept-Entwurf aus dem Hause Todeskino komplett ignoriert wurden. Und es stand die Kommunalwahl vor der Tür und man wollte sich nicht eine weitere Unglaubwürdigkeit in Sachen Umweltschutz und Naturschutz leisten. Schließlich hatte die Stadtverwertungskooperation aus Grünen, SPD und SSW mit tatkräftiger Unterstützung von CDU und FDP gerade scheinbar erfolgreich den Verkauf des Prüner Schlages an Kurt Krieger (Möbel Kraft) auf den Weg gebracht. Die Stadtoberen redeten den Widerstand gegen das neoliberale Subventionierungsprojekt für einen Multimillionär zwar klein, letztlich hatten sie aber durchaus Angst vor dem Brodeln in der Stadt.

Kiel - hier läuft alles transparent
Kiel - hier läuft alles transparent
Nach der Kommunalwahl war dann die versprochene Öffentlichkeitsbeteiligung an dem für alle Kielerinnen und Kieler wichtigen Waldkonzept kein Thema mehr. Stattdessen gab es monatelange nichtöffentliche Verhandlungen mit den drei genannten Umweltgruppen, die letztlich für den Wald-, Natur- und Umweltschutz zwar Verbesserungen brachten, gemessen am Verhandlungsstand jedoch ergebnislos verliefen. Die Umdeutung dieses Nicht-Ergebnisses als guten Kompromiss durch die Grünen und die SPD erinnert – mit Verlaub – an orwellsches Neusprech und Neudenk. Real wurden während der Verhandlungen eine unabhängige Bürgergruppe ausgeschlossen und mitten in den Gesprächen wurden – ohne Absprache – eine Verwaltungsvorlage den Ausschüssen vorgelegt, die überhaupt nicht dem bisherigen Verhandlungsstand entsprach. Selbstverständlich wurde das Verfahren nicht öffentlich dokumentiert und es gab keinerlei Form von Öffentlichkeitsbeteiligung.

Der völlig überraschend in den Innenausschuss eingebrachte Konzeptentwurf aus dem Hause Todeskino wurde durch einen unzulässigen Antrag von SPD/Grüne geringfügig geändert. Am Rande: Unzulässig deshalb, weil er keine Begründung enthält. Jeder Antrag muss begründet sein – „Begründung erfolgt mündlich“ ist keine Begründung sondern Ausdruck von Hochgeschwindigkeitspolitik, die keine Zeit für einen sinnvollen Satz in diesem Zusammenhang hat. Naja, ist niemandem aufgefallen – durch die Unkenntnis der Sitzungsteilnehmer in formalen Dingen ist der Beschluss damit selbstverständlich trotzdem regulär. ;-)
Selbstverständlich stimmten Umwelt- und Bauausschuss einstimmig (! – Undank SPDcduGRÜNEfdpSSWpiratenLinke) der Verwaltungsvorlage einschließlich der rotgrünen Änderungen zu. Jaja, die Linken haben sich enthalten und die Piraten mussten dafür stimmen, weil es so schön intransparent und ohne Beteiligung ist.

Todeskino - eigentlich für Bürgerbeteiligung
Todeskino - eigentlich für Bürgerbeteiligung
Über die genauen Gründe für das unfaire Verhalten der Verwaltungsspitze kann man nur spekulieren. Es mögen Gründe sein wie „Jetzt muss man endlch mal Nägel mit Köpfen machen“, also einfach verwaltungstechnisch gedacht eine Baustelle mal zu Ende bringen. Denkbar ist auch Einflussnahme Dritter z.B. – schließlich gibt es Nutznießer von der jetzigen Situation und es gibt Nutznießer von der beabsichtigten zukünftigen Situation. Denkbar ist vieles, jedenfalls verwundert der gesamte Ablauf sehr. Oder es handelt sich doch um eine mittelfristig ausgerichtete Taktik: Der für diese oder spätestens nächste Rats-Legislaturperiode erwartete Finanzkollaps der Landeshauptstadt Kiel, wird eine weitere Privatisierungswelle nach sich ziehen. Dafür ist es taktisch sinnvoll, wenn man einen Wald hat, der verkaufsfähig ist (Kienbaum-Gutachten). Ein naturnah gepflegter Wald, der für viele Generationen allen Kielerinnen und Kielern dient und der ab sofort sehr kostengünstig pflegbar wäre verkauft sich in der Argumentation gegenüber der Bevölkerung schlechter als ein Wald, der künstlich teuer gemacht wird in seiner Bewirtschaftung. Wahrscheinlich ist eine solche taktische Überlegung aber eine völlige Überschätzung der verantwortlichen Akteure.

Protest gegen Abholzungen in Kiel
Protest gegen Abholzungen in Kiel
Die drei Umweltgruppen, die seit langem mit der Stadt verhandeln geben dann auch ihrer Enttäuschung in einer Presseerklärung Ausdruck:
Bürgerbeteiligung gerät zur Farce: Kiel verpasst Chance auf modernes Waldkonzept
Innerhalb weniger Minuten beschloss der Innen- und Umweltausschuss am 01. April ein neues Waldkonzept. Damit dürfen weiterhin ökologisch wertvolle Flächen mit hohem Freizeitwert für die Bürger intensiv abgeholzt werden. Die Ergebnisse vorheriger Gespräche und Vereinbarungen mit den Naturschutzverbänden wurden ignoriert. BUND und AGF/NABU fühlen sich verschaukelt und fragen sich, ob eine Zusammenarbeit mit der Stadt Kiel in Zukunft möglich ist.
„Die Stadt hat immer wieder behauptet, die Öffentlichkeit und die Naturschutzverbände an der Ausarbeitung des Waldkonzeptes zu beteiligen.* Entgegen früherer Absprachen hat die Verwaltung nun in einer Nacht- und Nebelaktion eine völlig andere Vorlage ausgearbeitet und durch den Umweltausschuss gepeitscht“, empört sich Tobias Langguth, Diplom-Biologe und Referent für Naturschutz beim BUND-Landesverband Schleswig-Holstein.
„Dass die Stadt argumentiert, man habe sich eben nicht einigen können, setzt dem Ganzen die Krone auf. Im Gegenteil: Unter Leitung des renommierten Waldexperten Dr. Lutz Fähser wurden in einer erst Anfang des Jahres gegründeten gemeinsamen Arbeitsgruppe zuletzt große Fortschritte erzielt. Es gab deutliche Annäherungen und die klare Abmachung, dass nun ein gemeinsamer Rahmen für eine Beschlussvorlage ausgearbeitet wird. Abgestimmte Protokolle halten dies fest.“ ergänzt Dr. Gerrit Peters von der Arbeitsgruppe Fledermausschutz (AGF).
Diese Vereinbarung wurde jedoch unvermittelt, ohne die Naturschutzverbände zu informieren oder Gründe zu nennen, aufgekündigt. Das Konzept der Verwaltung weicht erheblich von den gemeinsam erarbeiteten Zielsetzungen ab, insbesondere der weitestgehenden Einstellung der forstlichen Bewirtschaftung, zugunsten der Erholungs-, Umwelt- und Schutzfunktionen des Kieler Waldes. Den Naturschutzverbänden zufolge wäre dies kostenneutral möglich.
„Wenn Bürgermeister Todeskino dieses Vorgehen wirklich für einen ‚gelungenen Dialog‘ hält, dann haben wir große Zweifel, ob die Stadt Kiel Bürgerbeteiligung und die Einbeziehung von Interessengruppen wirklich ernst meint und überhaupt versteht. Hier wurde mühsam aufgebautes Vertrauen verspielt. Die Naturschutzverbände haben der Verwaltung mit viel Fachwissen zugearbeitet, um ein zukunftsweisendes Waldkonzept für Kiel zu entwickeln: Wir haben die offene Hand gereicht, sie wurde uns brüsk weggeschlagen“, stellt Langguth ernüchtert fest.