Mannheim: Freispruch für Robin Wood-Aktivisten

Quelle: Robin Wood

Kletteraktion gegen neuen Kohlekraftwerksblock in Mannheim war kein Hausfriedensbruch

Die vier ROBIN WOOD-AktivistInnen, die am 14. Oktober 2008 gegen den Bau eines neuen Kohlekraftwerksblocks in Mannheim protestiert hatten, müssen keine Geldstrafe zahlen. Das hat heute das Amtsgericht Mannheim entschieden.

Das Gericht hatte den Vieren nach der Aktion einen Strafbefehl wegen Hausfriedensbruchs geschickt, wonach drei von ihnen ohne mündliche Verhandlung je 450 Euro hätten zahlen müssen, der vierte sogar 900 Euro. Gegen diese strafrechtliche Verfolgung ihrer Klimaschutz-Aktion hatten sich die UmweltschützerInnen mit einem Einspruch gewehrt – und hatten damit heute Erfolg!

Die AktivistInnen waren am 14. Oktober 2008 auf einen Verladekran der GKM (Großkraftwerk Mannheim AG) im Stadtteil Neckarau geklettert und hatten dort in etwa 40 Meter Höhe ein Transparent mit der Aufschrift „Saubere Kohle ist eine dreckige Lüge“ entrollt. Damit protestierten sie öffentlichkeitswirksam gegen den Plan der GKM, dort einen 911-Megawatt-Kohlekraftwerksblock zu errichten. Angesichts der dramatischen Schäden durch den Klimawandel hat sich in Mannheim – ebenso wie an vielen weiteren geplanten Standorten für neue Kohlekraftwerke in Deutschland – ein breiter Widerstand gegen das Bauvorhaben formiert. Denn Kohle zu verstromen, ist eine besonders klimaschädliche Form der Energieerzeugung. Wer jetzt noch neue Kohlekraftwerke baut, blockiert damit auf Jahrzehnte die Wende hin zu klimafreundlichen, erneuerbaren Energien.

Die AktivistInnen erläuterten dem Gericht, ihre persönliche Motivation für die Aktion und wiesen dann darauf hin, dass der erkletterte Kran frei zugänglich war. Die geladenen Zeugen widersprachen dem nicht. Somit ließ sich der Vorwurf eines Hausfriedensbruchs nicht aufrechterhalten.

„Der Inhalt der Ermittlungsakte war äußerst dürftig. Staatsanwaltschaft und Gericht aber haben geflissentlich darüber hinweggesehen. Das Gericht war noch während der Verhandlung heute sehr bemüht, zu einer Verurteilung zu kommen. Das hat zu einem völlig überflüssigen Verfahren geführt und die Umweltschützer unnötig dem Risiko einer Verurteilung ausgesetzt“, kommentiert Rechtsanwalt Martin Heiming.

Vor Prozessbeginn hatten UnterstützerInnen der ROBIN WOOD-AktivistInnen vor dem Gericht ein Banner mit der Aufschrift „Kein weiteres Kohlekraftwerk“ entrollt. Mehrere JournalistInnen verfolgten den Prozess vor Ort.

„Wir haben uns sehr über das öffentliche Interesse an dem Prozess gefreut. Es zeigt, dass die Auseinandersetzung um das Kraftwerk die Bürgerinnen und Bürger in Mannheim weiterhin sehr bewegt. Der Kampf darum ist noch längst nicht beendet“, sagt ROBIN WOOD-Aktivist Alexander Gerschner.

Weitere Infos:

http://www.robinwood.de/energie/

http://www.nein-zu-block9.de/

Im folgenden dokumentieren wir die Prozesserklärungen der ROBIN WOOD-AktivistInnen:

Sehr geehrtes Gericht, sehr geehrte Staatsanwaltschaft, liebe BesucherInnen und Besucher.

Wir sind heute hier angeklagt, weil wir mit unserer Kletteraktion darauf aufmerksam machen wollten, welch gravierende Auswirkungen der Bau des Block 9 sowohl auf das Rhein-Neckar-Dreieck als auch auf den gesamten Globus haben wird.

Derzeit stößt die GKM-Anlage in Mannheim-Neckarau pro Jahr bis zu 8,0 Mio Tonnen Kohlendioxid aus und zählt damit schon heute zu den zehn klimaschädlichsten Kraftwerken in ganz Deutschland.

Mit Block 9 werden zusätzlich pro Jahr 3,1 Mio Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid ausgestoßen, die Abschaltung von Block 3 und 4 sowie eine höhere CO2-Effizienz mit eingerechnet.

Dieser durch den Block 9 verursachte Mehrausstoß ist höher als der gesamte Ausstoß von Straßenverkehr, Industrie, Gewerbe und Privathaushalten in Mannheim zusammen. Der Gesamtausstoß Mannheims wird – in völligem Gegensatz zu den deutschen und europäischen Klimaschutzzielen – um 30 Prozent erhöht.

Der so genannte Block 9 ist KEIN „Ersatz” für Kraftwerksblöcke, die vom Netz gehen, wie dies von den Befürwortern immer wieder behauptet wird. Insgesamt wird die Leistung um ca. 50% aufgestockt – auf gigantische 2.200 Megawatt.

Soviel Strom und Fernwärme braucht das Rhein-Neckar-Dreieck nicht. Doch für die Betriebsdauer von mindestens 40 Jahren wird Block 9 giftige Feinstäube, Quecksilber, Stick- und Schwefeloxide sowie Chlor- und Fluorgase ausstoßen. Der Strom wird exportiert, das Gift bleibt hier und schädigt die Gesundheit der Menschen in Mannheim und Umgebung.

* * *

„Ich kann mir gut vorstellen, dass das Gericht, die Staatsanwaltschaft, und vielleicht auch Sie liebe BesucherInnen und Besucher, sich fragen warum in aller Welt so intelligente junge Leute, die mit ihrem Studium und mit der Bestreitung ihres Lebensunterhalts eigentlich schon genug am Hut haben dürften solche Strapazen auf sich nehmen. Warum sie in aller Herrgottsfrühe auf so ein schmieriges Monstrum von Verladekran klettern um in schwindelerregenden Höhen ein Transparent aufzuhängen und dabei noch befürchten müssen dafür vor ein Gericht gezerrt zu werden.

Ich werde versuchen, es Ihnen zu erklären. Und ich möchte vorausschicken, dass dies eine sehr persönliche Erklärung wird, weil mich dieses Thema sehr betroffen macht.

Das Klima erwärmt sich und diese Entwicklung ist bedrohlich für alle Menschen auf diesem Planeten. Gleichzeitig ist der Mensch und insbesondere der von den Menschen in den Industrienationen verursachte Anstieg der CO2-Konzentration in der Luft eine der Hauptursachen für die Erwärmung. Lange schon haben Wissenschaftler diese Zusammenhänge dargestellt und genauso lange wurden ihre Ergebnisse ignoriert, bagatellisiert und verunglimpft. Ganz zu Schweigen davon, dass die Entscheidungsträger in den Verursacherländern Massnahmen ergriffen hätten, die geeignet gewesen wären, die Katastrophe aufzuhalten. Im Gegenteil: Selbst jetzt, wo sogar die Kanzlerin sich in wortreichen Reden als großartige Klimaretterin profilieren möchte, sucht man wirksame Schritte vergebens. Wo bleibt ein Energieeffizienzgesetzt? Wo die Besteuerung von Flugbenzin? Derzeit sind in Deutschland mehr als 20 neue Kohlekraftwerke in Planung. Dass Deutschland die bescheidenen selbst gesteckten Klimaziele erreichen wird ist mehr als fraglich. Vor Kurzem ging die UN-Klimakonferenz in Bonn ohne sichtbare Fortschritte zu Ende. Und wer weiß, vielleicht haben wir sogar schon zu lange gewartet. Aus einem Bericht, den führende Klimawissenschaftler am letzten Donnerstag in Brüssel in Vorbereitung der Weltklimakonferenz in Kopenhagen im Dezember vorstellten geht hervor wie dringlich es ist sofort radikal umzusteuern. Wichtige Klimaindikatoren wie die globale Durchschnittstemperatur, der Meeresspiegelanstieg und Extremwetter-Ereignisse bewegen sich bereits außerhalb der Muster natürlicher Variabilität, innerhalb derer sich die moderne Gesellschaft und Wirtschaft entwickelt haben.

Und da möchten Sie von uns verlangen, dass wir brav zu Hause bleiben und darauf vertrauen dass die Politik die Probleme für uns lösen wird? Dass die Mächtigen es vielleicht einsehen, wenn wir ihnen einen netten Brief schreiben? Dass sich vielleicht irgendwann durch Wahlen etwas ändert? Tut mir leid, dafür haben wir keine Zeit mehr!

Jetzt möchten Sie vielleicht sagen: Es gibt doch aber eine Möglichkeit, Kohlekraftwerke klimafreundlich zu betreiben. Und wirklich: einige Energiekonzerne werben für sich mit einer Technik, bei der die Abgase in Kohlekraftwerken abgetrennt und unter der Erde gelagert werden sollen, genannt Carbon Capture and Storage (CCS). Diese Technik hat allerdings einige entscheidende Nachteile. So macht sie die Kohlekraftwerke noch ineffizienter als sie sowieso schon sind. Und nun sagt eine brandneue Prognose aus der Feder von Bankanalysten, dass es schon im Jahr 2020 billiger sein wird CO2 durch Fotovoltaik zu vermeiden als durch die genannte CCS-Technologie. Dies ist nachzulesen in der „Branchenanalyse Photovoltaik 2009“ der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Technik schon allein deswegen nie zur Anwendung kommen wird, weil die Bevölkerung sie nicht haben will. Erst diesen Dienstag hat die Unionsfraktion die Verabschiedung des umstrittenen Gesetzesentwurfs zur CCS von der Tagesordnung des Bundestags absetzen müssen. Für die überraschende Wende haben vor allem die norddeutschen CDU-Landesverbänden und die CSU gesorgt. Schleswig-Holstein hatte sich angesichts des wachsenden Widerstands der Bevölkerung gegen die von Stromkonzern Rwe geplante Kohlendioxid-Endlagerung im Norddeutschen Becken ausgesprochen.

Ja, aber irgendwo muss der Strom doch herkommen, möchten Sie mir jetzt vielleicht entgegnen. Oder sollen wir etwa wieder anfangen gefährliche Atomkraftwerke zu bauen? Nein, natürlich sind Atomkraftwerke auch keine Alternative. Nur durch einen intelligenten Mix aus Energieeinsparung, Erneuerbaren Energien und Effizienzsteigerungen bei der Energieerzeugung kann das Klima gerettet werden ohne dass die Lichter ausgehen. Das ist nachzulesen z.B. in der BUND Studie „Fahrplan Energiewende“ für Baden-Württemberg.

Wenn Sie jetzt sagen, dass das doch total unrealistisch sei und Solarstrom sowieso viel zu teuer, dann möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal auf die bereits erwähnten Bankanalysten von der LBBW berufen. Sie haben berechnet, dass die sehr dynamische Entwicklung der Fotovoltaik zu deutlichen Preisabschlägen führen wird, so dass schon im Jahr 2012 Solarstrom vom Dach in Deutschland billiger sein wird als Strom aus der Steckdose.

Dass Kohlekraftwerke auch aus betreibswirtschaftlicher Sicht keinen Sinn machen zeigt eine Studie des Arrhenius Instituts für Energie- und Klimapolitik „zur Wirtschaftlichkeit von Kohlekraftwerken am Beispiel des geplanten Kohlekraftwerks in Mainz“: Durch den Ausbau erneuerbarer Energien verringere sich die Auslastung von fossil betriebenen Kraftwerken. Zudem sei auch nach der weltweiten Wirtschaftskrise mit einem Anziehen der Brennstoffpreise zu rechnen. Und auch die Preise für Kohlendioxid-Zertifikate im Rahmen des Emissionshandels würden immer teuer. Das geplante Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue bei Mainz wird sich daher nicht rentieren.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Keiner sagt, dass eine Energiewende leicht zu machen ist. Und vielleicht wird sie auch nicht ganz kostenlos zu haben sein. Vielleicht werden wir unsere Gewohnheiten ändern müssen, oder sogar auf Bequemlichkeiten verzichten. Aber wäre der Preis für eine ruinierte Welt nicht viel höher?

Wir sind jung, und wir haben vor auf diesem Planeten noch eine Weile zu leben. Wir möchten dass unsere Enkelkinder auch noch gut auf diesem Planeten leben können. Die Generation unserer Eltern hat schon genug Schaden angerichtet und wir wollen nicht dass unsere Kinder das auch einmal über uns sagen müssen.

Was wir getan haben war eigentlich nicht viel. Angesichts der drohenden Veränderungen war es vielleicht sogar viel zu wenig. Aber wenn wir erreichen konnten, dass mehr Menschen sich Gedanken machen über die Konsequenzen unserer Lebensweise, wenn der eine oder andere zu einem ökologischen Energieerzeuger wechselt, wenn wir Menschen, vielleicht sogar Sie hier in diesem Gerichtssaal zu mehr Einsatz für das Klima ermuntern konnten, dann hat sich das schon gelohnt.“

* * *

„Zur Sache schließe ich mich ausnahmslos dem Rechtsanwalt Herrn Heiming an und werde auch im weiteren keine neuen juristisch relevanten Informationen nennen.

Ich würde nun gerne etwas zu meinen eigenen Beweggründen für unsere öffentlichkeitswirksame Aktion sagen und warum ich es wichtig finde gegen den Neubau des Kraftwerkblocks in Mannheim im speziellen und gegen Kohlestrom im Allgemeinen aktiv zu werden.

Neben der enormen Belastung die das Kraftwerk für unser Klima bedeutet und der verfehlten Energiepolitik die hier zu Tage tritt, liegen mir persönlich besonders die sozialen Problematiken die mit dem Neubau einher gehen am Herzen, welche in der öffentlichen Debatte viel zu selten aufgegriffen werden.

Die Betreiber selbst argumentieren für Block 9 mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich diese Behauptung jedoch als Augenwischerei.

Zum einen würde der geplante Block hoch automatisiert laufen und somit auch nichts am fortschreitenden Arbeitsplatzabbau in der fossilen Energiebranche ändern, zum anderen müssen wir uns auch die Alternativen vor Auge halten. Die erneuerbaren Energien sind und bleiben die am stärksten wachsende Energiebranche. In den letzten 10 Jahren hat sich hier die Zahl der Beschäftigten mit bundesweit knapp 300.000 mehr als vervierfacht während sie bei allen anderen Energiebranchen stagnierte oder zurückging.

Auch die Unternehmensstrukturen der erneuerbaren Energien sind gänzlich andere. Sowohl Strom als auch Wärme wird hier dezentral und regional erzeugt, in kleineren transparenteren Betrieben die somit viel direkter demokratischer Kontrolle unterliegen.

Zudem bieten die Erneuerbaren ein höheres Maß an Versorgungssicherheit, da für sie keine Rohstoffe aus Kriesenländern über weite Strecken importiert werden müssen und etwaige Stromimporte aus demokratischen Nachbarstaaten, wie zum Beispiel den Skandinavischen Ländern kommen. Außerdem werden die Energiebilanzen und Umweltverschmutzungen der Transports der Kohle meist nicht einmal in den Umweltstatistiken berücksichtigt.

Wobei wir bei einer weiteren gravierenden Problematik wären. Die Steinkohle für das GKM kommt zum überwiegenden Teil aus Ländern in denen massive Menschenrechtsverletzungen und Hungerlöhne dazu führen, dass die Kohle überhaupt erst zu so geringen Preisen eingekauft werden kann. Eins können sie mir glauben, meine Damen und Herrn, wenn Kohlekraftwerke für ihre Kohle faire Preise Zahlen müssten, von denen alle Menschen in der Produktionskette angemessen Leben könnten, sähe es mit der Rentabilität dieser Stromerzeuger schon ganz anders aus.

Zum Beispiel zählt Kolumbien zu den drei größten Lieferländern für das GKM. Hier wird sehr schnell klar, was hinter dem geringen Preis der Kohle steckt: In den Mienen schuften unter lebensbedrohlichen Bedingungen tausende Minenarbeiter für Löhne, die sie kaum ernähren. Um diese Mienen zu graben werden wiederum tausende Menschen vertrieben und somit ihrer Lebensgrundlage beraubt. Wer gegen dieses Vorgehen auf begehrt wird verfolgt, bis hin zur Ermordung von GewerkschaftlerInnen und AktivistInnen.

Diese Vorwürfe konnten die Betreiber des GKM auch beim Erörterungstermin letzten Dezember nicht widerlegt.

In anderen Lieferländern wie Russland oder China, sind die Mienen derart unsicher, dass die ArbeiterInnen permanent unter der Furcht stehen, wie viele andere vor ihnen einem Grubenunglück zum Opfer zu fallen und auch hier werden sie mit Niederiglöhnen abgespeist um unseren Kohlestrom halbwegs rentabel zu halten.

Zudem gehen mit dem Kohleabbau direkt schon erhebliche Zerstörungen unserer Umwelt einher, wie die zurückbleibenden Bergbauhalden, die kaum noch zu bewirtschaften sind, Wasserverseuchungen und Staubeintrag durch Luftverschmutzung beeinträchtigen das Leben in der Nähe von Mienen enorm und Bergschäden durch den unterirdischen Abbau sorgen für Absenkungen und Bodenrisse die wiederum Risse an Häuser, Schäden an Wassersystemen und Zerstörung von Ackerland zur Folge haben.

Als ich das alles zum ersten mal hörte, wurde mir bewusst, dass Kohle schon vor der Verbrennung in Mannheim ein sehr schmutziges Geschäft ist und somit sage ich nach wie vor voller Überzeugung:

Saubere Kohle ist eine dreckige Lüge!“