Prozess gegen „Rettet den Regenwald“ in Hamburg hat begonnen

Palmöl - Nein danke
Palmöl – Nein danke
Textdokumentation zweier Pressemitteilungen von Rettet den Regenwald sowie einer Solidaritätserklärung von fast 100 NGOs.

Hamburg. Vor dem Landgericht Hamburg hat am 22.1.2021 der Prozess gegen den Verein Rettet den Regenwald begonnen. Die indonesische Firma Kenertec hat die Organisation verklagt, nachdem sie vor vier Jahren in einem an Siemens und Nordex adressierten Brief Regenwaldvernichtung in Papua angeprangert hatte. Im Kern ging es darin um das Verbrennen von Restholz nach der Rodung von Regenwald für die Anlage neuer Palmölplantagen.


Agrosprit stoppen!
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Als Klägerin tritt in Hamburg die Firma Kenertec auf, ein Produzent von Windkraftanlagen. Dabei kreiden die Umweltschützer dem Unternehmen gar keine Regenwaldzerstörung an, sondern einem Geschäftspartner: der Korindo-Gruppe. In der Studie Burning Paradise der Organisation Mighty Earth, zahlreichen weiteren Studien und Berichten wird Korindo die großflächige Vernichtung von Regenwald und die Verletzung der Rechte indigener Völker in den indonesischen Provinzen Papua und Nord-Molukken vorgeworfen. Jüngst hat auch die britische BBC berichtet.

„Schon am ersten Verhandlungstag zeichnet sich ab, dass die Strategie von Kenertec und Korindo nicht aufgeht – die Firmen hatten es sich wohl zu einfach vorgestellt, Umweltschützer vor Gericht zu zerren“, sagt Bettina Behrend, 1. Vorsitzende von Rettet den Regenwald e.V.

Kenertec hatte auch das Center for International Policy (CIP) aus den USA verklagt, eine von mehreren Organisationen, die Mighty Earth finanziell unterstützen. Das Gericht wies die Kenertec-Anwälte jedoch darauf hin, dass CIP nicht allein aufgrund dieser Finanzierung belangt werden könne. Selbst die Frage, ob Kenertec überhaupt klageberechtigt ist, hat das Gericht in Frage gestellt.

„Das Gericht hat Kenertec zudem zu erkennen gegeben, dass angesichts des Umfangs an Videos, Fotos, Satellitenbildern, Studien und Zeugenaussagen, die Rettet den Regenwald e.V. und CIP vorgelegt haben, ein schlichtes Leugnen gelegter Feuer nicht genügt“, sagt der Medienrechtler Prof. Dr. Roger Mann, der die Umweltschützer vertritt.

Wie erwartet hat das Gericht eine außergerichtliche Einigung zwischen den Umweltschützern und Kenertec angeregt. „Wir werden sehr genau prüfen, ob wir uns darauf einlassen können. Schließlich schafft Korindo in Papua Fakten – ohne Rücksicht auf Menschen und Umwelt“, so Bettina Behrend.

Bei einer Fortsetzung des Prozesses wird es darauf ankommen, dem Hamburger Gericht die Realität in Papua nahezubringen. „Wir werden die Gerichtsverhandlung dazu nutzen, die Öffentlichkeit wachzurütteln und die Regenwaldvernichtung noch stärker ins Licht der Öffentlichkeit bringen“, sagt Marianne Klute, Zweite Vorsitzende und Indonesienexpertin von Rettet den Regenwald e.V.

Das Gericht wird voraussichtlich innerhalb der kommenden zwei Monate über den Fortgang des Prozesses entscheiden.

Textdokumentation der ersten Pressemitteilung von Rettet den Regenwald sowie einer Solidaritätserklärung von rund 100 NGOs.

Palmöl- und Holz-Konzern Korindo will Umweltschützer mundtot machen

Prozessauftakt vor dem Landgericht Hamburg am Freitag, 22.1. – 10:00 Uhr

Hamburg. Der Verein Rettet den Regenwald aus Hamburg und das Center for International Policy (CIP) aus den USA wehren sich gegen eine Verleumdungsklage vor dem Landgericht Hamburg. Bei der Klage geht es um einen Brief an Siemens und Nordex, den zehn Umweltschutzorganisationen im Oktober 2016 – also vor mehr als vier Jahren – unterzeichnet haben. Der Brief sollte die Firmen auf die großflächige Regenwaldzerstörung durch den koreanisch-indonesischen Produzenten von Palmöl, Holz und Windkraftanlagen namens Korindo aufmerksam machen. Der Kläger behauptet, Teil der Korindo-Firmengruppe zu sein, zweifelt den Wahrheitsgehalt einiger Anschuldigungen an, verlangt deren Widerruf und im Wiederholungsfall hohe Geldbußen oder sogar Haft.

„Die Zerstörung der Regenwälder ist eines der größten Umweltverbrechen unserer Zeit. Doch statt die Täter zu verfolgen, werden Gerichte immer öfter dazu missbraucht, Umweltschützer zu belangen und zum Schweigen zu bringen“, sagt Bettina Behrend, Erste Vorsitzende von Rettet den Regenwald e.V.: „Unsere Demokratie wird auf den Kopf gestellt und der Rechtsstaat missbraucht. Doch wir lassen uns nicht einschüchtern und werden unbeirrt unsere Stimme für die Menschen erheben, die unter Umweltzerstörung leiden.“

In der Studie Burning Paradise der Organisation Mighty Earth, zahlreichen weiteren Studien und Berichten wird Korindo die großflächige Vernichtung von Regenwald und die Verletzung der Rechte indigener Völker in den indonesischen Provinzen Papua und Nord-Molukken vorgeworfen. Jüngst hat auch die britische BBC berichtet.

Deborah Lapidus, Vizepräsidentin von Mighty Earth und eine der Autorinnen von Burning Paradise, stellt fest: „Diese Klage ist eine typische, schmutzige Firmenstrategie. Angesichts zunehmender Enthüllungen über massive Regenwaldzerstörung und Missachtung indigener Rechte versucht Korindo mit dieser Klage, Umweltschützer, Journalisten und Aktivisten einzuschüchtern, mundtot zu machen und davon abzuhalten, die Missetaten aufzudecken. Doch das ist eine grobe Fehleinschätzung, weil sie Korindos böse Strategie und fortwährende Leugnung der Schäden, die sie verursacht hat, weiter entlarvt.“

Das Verfahren ist ein Beispiel für einen sogenannten SLAPP (strategic lawsuit against public participation). Firmen und mächtige Persönlichkeiten missbrauchen Gerichte dazu, öffentliche Beteiligung und Kritik einzuschränken. SLAPP bedrohen Organisationen und Aktivisten, die im Dienst der Allgemeinheit Missstände aufdecken, die Verantwortlichen benennen und sich für die Umwelt und für Menschenrechte einsetzen. Solche Verfahren sind somit Angriffe auf fundamentale Rechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und letztlich auf unsere Demokratie.

SLAPPs sind weltweit ein Trend, auch in Europa: So steht das Umweltinstitut München derzeit wegen seiner Kritik am Einsatz von Pestiziden auf südtiroler Obstplantagen in Bozen vor Gericht. Die französische Bolloré-Gruppe hat die Organisation ReAct verklagt, weil diese Menschenrechtsverletzungen auf Plantagen in Afrika angeprangert hat. Der österreichische Holzkonzern Schweighofer ist gegen den rumänischen Verein „Neuer Weg“ vorgegangen, die Organisation Banktrack stand wegen ihres Protests gegen die Dakota Access Pipeline in den USA vor Gericht.

Mehr als 90 Umweltschutzorganisationen aus Deutschland, Europa, Lateinamerika, Afrika und Asien stellen sich daher in einer Solidaritätserklärung hinter Rettet den Regenwald. In der Deklaration heißt es:

„Wer Aktivisten und Organisationen verklagt, die sich für eine gerechtere Gesellschaft und die Natur einsetzen, attackiert uns alle!“

Dass die indonesische Firma eine deutsche und eine US-amerikanische Organisation vor dem Landgericht in Hamburg verklagt, folgt der bei SLAPP verbreiteten Strategie des „jurisdiction shopping”: Deutschland gilt unter Rechtsexperten als eines der Länder in der EU, wo nationale Gesetze und Gerichtsurteile unbegründete Verleumdungsklagen begünstigen. Besonders viele SLAPP beschäftigen zudem Gerichte in Italien und Malta. Als dort die Journalistin Daphne Caruana Galizia ermordet wurde, waren 47 SLAPP-Verfahren gegen sie anhängig.

In der Öffentlichkeit nimmt das Bewusstsein zu, dass solchen Verfahren grenzüberschreitend begegnet werden muss. Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Věra Jourová, hat zugesagt, „alle Möglichkeiten anzusehen“, der Gefahr für die Demokratie durch SLAPPs zu begegnen. Eine Koalition von 87 Organisationen von Journalisten und der Zivilgesellschaft – inklusive Rettet den Regenwald und Mighty Earth – hat die Europäische Union aufgefordert, etwas für den Schutz vor SLAPPs auf europäischer Ebene zu tun.

Solidaritätserklärung

„Wir lassen uns nicht einschüchtern und mundtot machen!“ – Solidaritätserklärung

Die Zerstörung der Regenwälder ist eines der größten Umweltverbrechen unserer Zeit. Doch statt die Täter zu verfolgen, werden Gerichte immer öfter dazu missbraucht, Umweltschützer zu belangen.

Jetzt wurde Rettet den Regenwald e.V. vor dem Landgericht Hamburg verklagt.

Rettet den Regenwald hatte zusammen mit neun anderen Umweltschutzorganisationen die Unternehmen Siemens und Nordex darauf hingewiesen, dass diese Geschäftsbeziehungen zu einem Konzern in Indonesien pflegen, der mit Rodungen für Ölpalmplantagen und Einschüchterung von Indigenen in Verbindung gebracht wird.

Die Klage ist unseres Erachtens ein Versuch, Umweltschützer einzuschüchtern und mundtot zu machen.

Wir sehen das Verfahren als sogenannten SLAPP (strategic lawsuit against public participation). Firmen und mächtige Persönlichkeiten missbrauchen Gerichte dazu, öffentliche Beteiligung und Kritik einzuschränken. SLAPP bedrohen Organisationen und Aktivisten, die im Dienst der Allgemeinheit Missstände aufdecken, die Verantwortlichen benennen und sich für die Umwelt und für Menschenrechte einsetzen. Solche Verfahren sind somit Angriffe auf unsere Demokratie.

– Statt für den Schutz der Regenwälder vor der Zerstörung durch Firmen zu arbeiten, müssen die Umweltschützer wertvolle Zeit für die Verteidigung opfern.

– Das Verfahren kostet zudem Geld, das besser für Regenwaldschutz und Partnerprojekte in Ländern des Südens ausgegeben würde.

– Das Verfahren kann dazu führen, dass Umweltschützer aus Sorgen vor weiteren Klagen bei anderen Kampagnen übervorsichtig sind beziehungsweise sich selbst zensieren.

Diese Klage schadet daher den Regenwäldern und den Menschen, die dort leben!

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, erklären uns mit Rettet den Regenwald e.V. solidarisch.

Wer Aktivisten und Organisationen verklagt, die sich für eine gerechtere Gesellschaft und die Natur einsetzen, attackiert uns alle!

Acción Ecológica, Ecuador
Africando, Spain
Ajele Sunday, Nigeria
Amazon Watch, USA
Les Amis de la Terre France, France
Amigos de la Tierra, Spain
Animals Are Sentient Beings, Inc., USA
ARA – Aktionsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz, Germany
BankTrack, Netherlands
Berggorilla & Regenwald Direkthilfe e. V., Germany
Bergwaldprojekt e.V., Germany
biofuelwatch, UK/USA
Blue Dalian, China
Bomenstichting Achterhoek (regional Dutch Tree Foundation), Netherlands
Borneo Institute, Indonesia
Bread for all, Switzerland
Bruno-Manser-Fond, Switzerland
CALG, Philippines
Cambodia Human Rights Task Force (CHRTF), Cambodia
Centre for Man and Land Resources Development (CEMLARD), Nigeria
Colectivo VientoSur, Chile
Colectivo Voces Ecológicas (COVEC), Panama
Collectif Or de question, France
Conservation Congress, USA
Defensa y Conservación Ecológica de Intag (DECOIN), Ecuador
denkhausbremen e.V., Germany
Deutsche Umwelthilfe e.V., Germany
Devcon, Nigeria
Earth Action, USA
Ecodevelop, Germany
Eco-Guards, Nigeria
Ecologistas en Acción, Spain
Environmental Paper Network, international
Family Farm Defenders, USA
FIAN Deutschland, Germany
Flight – Protecting Indonesia’s Birds, Indonesia
Forum Ökologie und Papier, Germany
Forum Umwelt und Entwicklung, Germany
Friends of the Siberian Forests, Russia
Fundación Tantí, Chile
The Gaia Foundation, UK
Global Forest Coalition, international
GMO Science, USA
GMWatch, USA
GRAIN, international
Green Advocates, Alfred Brownell, Goldman Environmental Prize Winner 2019, Liberia
Green Longjiang, China
Greenpeace Africa, international
Greenpeace European unit, EU
Greenpeace Indonesia, Indonesia
ICRA International, France
Inspirit, international
JATAM Sulawesi Tengah, Indonesia
JPIC Kalimantan (Justice, Peace and the Integrity of Creation), Indonesia
Kene, Peru
Last Tree Laws, USA
Link AR Borneo, Indonesia
Maïouri Nature Guyane (MNG), France
Milieudefensie / FoE Netherlands, Netherlands
Mother Nature, Cambodia
Movimiento por el Agua y los Territorios MAT, Chile
NAPE, Uganda
Not1More, UK
The Oakland Institute, USA
Observatorio Minero Ambiental y Social del Norte del Ecuador OMASNE, Ecuador
Orang Utan in Not e.V., Germany
Otros Mundos Chiapas, Mexico
Ouch Leng, Goldman Environmental Prize Winner 2016, Cambodia
Pageos.net, Indonesia
Profundo, Netherlands
Rainforest Action Network (RAN), international
Rainforest Rescue, Australia
React, France
Rivers Without Boundaries Coalition, international
Robin Wood, Germany
Save Our Borneo, Indonesia
Scholar Tree Alliance, China
Snow Alliance, China
SystExt, France
Tabio (Tanzania Alliance for Biodiversity), Tanzania
Tapol, UK
Teraju Indonesia Foundation, Indonesia
Umweltinstitut München e.V., Germany
Verdegaia, Spain
WatchDoc, Indonesia
WALHI North Sumatra (FoE), Indonesia
WALHI NTT (FoE Eastern Sunda Islands), Indonesia
WALHI Papua (FoE Papua Province), Indonesia
WALHI South Sulawesi (FoE), Indonesia
Weltfriedensdienst, Germany
World Rainforest Movement, international
Yayasan Orangutan Sumatera Lestari (Orangutan Information Centre YOSL-OIC), Indonesia
Yayasan Pusaka Bentala Rakyat, Indonesia
Zukunftsstiftung Entwicklung in der GLS Treuhand e.V., Germany