Schweden: Abholzung der letzten Naturwaldgebiete geht weiter

Protestaktion von Robin Wood gegen Zellstoffkonzern SCA
In dem heute erschienenen Report „Under the Cover of the Swedish Forestry Model“ dokumentiert der größte schwedische Naturschutzverband SSNC (Swedish Society of Nature Conservation), dass weder das schwedische Forstgesetz noch freiwillige Verpflichtungen der Waldbesitzer zur Einhaltung von Zertifizierungsstandards die wenigen in ihrer Ursprünglichkeit noch erhaltenen Waldgebiete vor der Zerstörung durch Kahlschlag bewahren. Mehr als 20 Prozent des Zellstoffs für das in Deutschland verwendete Papier stammt aus schwedischen Wäldern.

In der durch jahrzehntelange Kahlschlagwirtschaft geprägten schwedischen Waldlandschaft sind nur noch etwa zehn Prozent der Waldfläche in einem naturnahen Zustand erhalten geblieben. Lediglich ein Bruchteil davon steht unter gesetzlichem Schutz. Der Erhalt dieser Überreste an naturnahen Waldstandorten ist die wichtigste Forderung schwedischer Umweltverbände, damit die jetzt schon erschreckend lange Rote Liste der bedrohten Arten nicht noch länger wird.

Das schwedische Forstgesetz gibt lediglich Empfehlungen zum Erhalt der naturnahen Waldstandorte, den sogenannten „Woodland Key Habitats“ (WKH). Auch das Branchenzertifikat der Forstwirtschaft, das PEFC-Siegel, verpflichtet nicht zu einem vollständigen Erhalt dieser WKHs. Lediglich das von Umweltverbänden favorisierte Forstsiegel FSC (Forest Stewardship Council), das rund 50 % der schwedischen Wälder führen, ist das einzige Regelwerk, was zu einem vollständigen Erhalt solcher naturnahen Waldstandorte verpflichtet.

Doch die mehrjährigen Recherchen des Schwedischen Naturschutzverbandes SSNC, so das Resultat ihres jetzt publizierten Reports, haben gezeigt, dass FSC-zertifizierte Waldbesitzer, darunter auch die großen Forstunternehmen SCA, Stora Enso und Sveaskog, immer wieder auch gegen diese Vorgaben verstoßen. Obwohl der SSNC und andere schwedische Unweltverbände diesen Frevel der Forstindustrie seit Jahren anprangern, hat sich bislang am Verhalten der Konzerne nicht viel geändert, da die Sanktionierungen dieser Verstöße durch das FSC-Zertifizierungssystem ausgesprochen schwach ausfallen.

ROBIN WOOD hat daher eine Protestbrief-Aktion organisiert, die sich gegen die Zerstörung dieser Naturwaldareale wendet. Der Protestbrief ist an den schwedischen Zellstoffkonzern SCA gerichtet, da bei diesem Konzern nach den Recherchen des SSNC die meisten Verstöße registriert wurden. Hier können neben einer ganzen Reihe von weiteren Hintergrundinformationen auch die Protestformulare heruntergeladen werden. Daneben besteht die Möglichkeit online zu protestieren.

SSNC-Report „Under the Cover of the Swedish Forestry Model“ (pdf, englisch)

Deutschsprachige Presseerklärung des SSNC und Hinweise auf frei verwendbares Bildmaterial

Textdokumentation der deutschsprachigen SSNC-Pressemittelung

Schwedischer Wald – Intensive Forstwirtschaft führt zur ökologischer Verarmung

Große Teile der ehemals natürlichen Wälder Schwedens sind in den vergangenen Jahren in riesige Holzplantagen verwandelt worden. Die Folge dieser einschneidenden Veränderung ist eine massive Biodiversitätskrise des schwedischen Waldes. Auf Grund der intensiven Waldwirtschaft ist die Anzahl der auf Waldbiotope angewiesenen, in der Roten Liste als gefährdet eingestuften Arten in den vergangenen Jahren eklatant angestiegen. Trotzdem wird die schwedische Art der Forstwirtschaft in Europa häufig als ein Musterbeispiel für nachhaltige Waldbewirtschaftung angesehen. Seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts ist der Kahlschlag die Standardmethode für den Holzeinschlag in schwedischen Wäldern, mit der Folge, dass mehr und mehr natürliche Wälder durch Holzplantagen und durch nicht einheimische Baumarten ersetzt wurden. Weder der schwedische Gesetzgebung, noch durch die Zertifizierung durch FSC bzw. PEFC ist es gelungen das Ökosystem Wald zu schützen. Biologisch wertvolle, artenreiche Wälder werden in einem rasenden Takt abgeholzt mit einer alarmierenden Fragmentierung der natürlichen Waldlandschaft zur Folge.

Um die beunruhigende Situation der letzten verbliebenen naturnahen Wälder näher zu beleuchten, veröffentlich die Schwedische Gesellschaft zum Schutz der Natur nun einen Bericht mit dem Titel “Under the Cover of the Swedish Forestry Model”

Nach mehr als 100 Jahren intensiver Forstwirtschaft wird das Bild der schwedischen Waldlandschaft heute bestimmt von Monokulturen unterschiedlichen Alters, mit denen die kahlgeschlagenen Flächen der ehemaligen naturnahen Wälder wieder aufgeforstet wurden. Da die überwiegende Mehrzahl dieser Wälder derzeit zu jung ist, um eingeschlagen zu werden, hat die schwedische Forstindustrie auf ihrer Jagd nach Rohstoffen nun begonnen auch die letzten verblieben naturnahen Wälder abzuholzen. Dabei hat sich Schweden durch internationale Verträge verpflichtet, wenigstens 17% seiner Fläche in vernetzten und ökologisch relevanten Gebieten bis zum Jahre 2020 unter Naturschutz zu stellen. Bis zum heutigen Tage stehen weniger als 4 % des produktiven Waldes unter Schutz.

Karin Åström, zweite Vorsitzende der Schwedischen Gesellschaft zum Schutz der Natur, sagt dazu: ”Die größte Herausforderung für Schweden ist der Schutz des produktiven Waldes. Sehr viel weniger als 17% der produktiven Wälder können überhaupt noch als naturnah erhalten betrachtet werden. Bis zum heutigen Tag gibt es keinen Maßnahmenkatalog, der Aufschluss darüber gibt, wie dieses Schutzziel erreicht werden soll. Im Gegenteil: Nach wie vor werden naturnahe und ökologisch wertvolle Wälder abgeholzt. Auf Grund der Tatsache, dass der praktizierte industriemäßige Holzeinschlag die Hauptursache für die Krise der biologischen Diversität in den schwedischen Wäldern ist, ist es äußerst wichtig, dass sich Verbraucher und Produzenten der schmutzigen Kehrseite des schwedischen Modells der Forstwirtschaft bewusst sind: Auch FSC-zertifizierte Unternehmen praktizieren Kahlschlagsforstwirtschaft in naturnahen und ökologisch höchst wertvollen Wäldern!“

Der Bericht basiert auf Felduntersuchungen, die die Schwedischen Gesellschaft zum Schutze der Natur in den Jahren 2007 bis 2010 durchgeführt hat. Hunderte schützenswerte Wälder sind dabei untersucht worden, nachdem FSC- bzw. PEFC-zertifizierte Unternehmen wie STORA ENSO, SCA, SVEASKOG und HOLMEN diese zum Kahlschlag angemeldet hatten. Die Untersuchung zeigt deutlich die mangelnde Bereitschaft der Unternehmen, Rücksicht auf wertvolle Natur, gefährdete Arten und alten Wald zu nehmen. Eine große Anzahl der untersuchten und abgeholzten naturnahen Wälder hätten gemäß FSC-Standard nicht abgeholzt werden dürfen. Damit ist wertvolle Natur unwiederbringlich zerstört worden, obwohl die jeweiligen Unternehmen über die Ergebnisse der Untersuchungen informiert waren als sie mit dem Holzeinschlag begannen.

Malin Sahlin, verantwortlich für Fragen der Waldökologie bei der Schwedischen Gesellschaft zum Schutz der Natur sagt: ”Mehr als 90% des produktiven schwedischen Waldes sind heute geprägt durch harte forstwirtschaftlichen Eingriffe. Die Zerstörung der letzten naturnahen Wälder ist ein Faktum und die Lebensgemeinschaft Wald ist gefährdet. Die schwedische Art der Forstwirtschaft hat eine Veränderung des Ökosystems von artenreichen, wertvollen und naturnahen Wäldern zu homogenen Anpflanzungen mit Gehölzen gleicher Art und gleichen Alters zur Folge. Die Anzahl der in der Roten Liste aufgeführten Arten steigt kontinuierlich an, und unsere Felduntersuchungen zeigen, dass weder bei der Planung noch bei der Durchführung der Kahlschläge praktisch kaum Rücksicht auf gefährdete Arten genommen wird. Damit verschwinden als wertvoll dokumentierte Biotope in einem bedenklich hohen Tempo“

“Schweden”, so Karin Åström, zweite Vorsitzende der Schwedischen Gesellschaft zum Schutze der Natur,”gehört zu den reichsten Länder der Erde und hat den Ruf vorbildlich zu sein, was eine ökologisch nachhaltige Forstwirtschaft angeht. Wir sind äußerst besorgt um das Ökosystem des schwedischen Waldes und schämen uns dafür, dass ein reiches Land wie Schweden es nicht vermag oder nicht gewillt ist, die biologische Vielfalt der Wälder auf eine Art zu schützen, die der eigenen nationalen Gesetzgebung und internationalen Abkommen, denen Schweden beigetreten ist, entspricht.“

Hier können Sie den Bericht herunterladen.

Textdokumentation der englischsprachigen SSNC-Pressemitteilung

Biodiversity crisis in Swedish forests

Vast areas of the Swedish natural forest have been turned into giant cultivation areas resulting in a biodiversity crisis in the forests of Sweden. A large species loss in the forests is primarily caused by forestry practices.

Nevertheless, the Swedish forestry model has been claimed across Europe as a good example of sustainable forestry. Since the 1950´s clear cutting has been the default method and the naturally growing forest trees have, to a large extent, been replaced with refined plants and exotic species. The Swedish legislation and the certifications FSC and PEFC have failed to safeguard the forest ecosystem as biologically valuable forests are being clear felled at an alarming rate, and the fragmentation of large natural forest areas are ongoing.

We are now releasing the report “Under the Cover of the Swedish Forestry Model” to highlight the destruction of natural forests with high biological values in Sweden.

After more than 100 years of intensive forestry the Swedish landscape is almost completely dominated by managed forests in different stages after clear cutting – many of which are not ready to be harvested again. The forest sector therefore is clear cutting large areas of the remaining old natural forests, despite the international agreement on increasing the area of protected land to at least 17 per cent, in well connected and ecologically representative areas, by the year 2020. Today less than 4 per cent of the productive forest is protected in Sweden.

– Perhaps the greatest challenge for Sweden is the protection of productive forestland. No action plan on how to reach the target has been presented as of today; still the last remaining natural forests are being clear felled. Since the clear cutting method, which is almost exclusively in practice, is the strongest driver behind the biodiversity crisis in the forests of Sweden today, consumers and producers across Europe need to be aware of the Swedish methods and the fact that even FSC-certified companies are clear felling forests with high conservation values and endangered species, says Karin Åström, vice president, Swedish Society for Nature Conservation.

The report is based on SSNC´s field documentations between the years 2007-2010. Hundreds of forests with conservation values have been investigated after large FSC- and PEFC- certified companies such as Stora Enso, SCA, Sveaskog and Holmen have notified these for logging. The result of the field studies show a remarkable lack of consideration to high nature values such as endangered species and old growth forests. Numerous of the clear felled natural forests visited do not live up to the FSC-regulations, and large nature values have gone lost, despite the companies’ firsthand knowledge of these values.

– More than 90 per cent of the productive forests are affected by forest management today, the destruction is ongoing, and the forest ecosystem is threatened. The Swedish forestry model has enabled a shift from species-rich, valuable natural forests to homogenous plantations with trees of the same ages and species. The Red List of species continues to grow and our field documentations show that the consideration taken to threatened species, in forests planned for clear felling or already clear felled, is practically non-existent, as documented habitats for red listed and endangered species are being felled at an alarmingly rate, says Malin Sahlin, forest campaigner, Swedish Society for Nature Conservation.

– Sweden is one of the world´s richest countries with a profile of being prominent in environmental concern and also sustainable forestry. We are deeply concerned for the forest ecosystem, and ashamed that a rich country like Sweden is not effectively safeguarding the forest biodiversity in order to meet its national and international environmental objectives and commitments, says Karin Åström, vice president, Swedish Society for Nature Conservation.