sagte dereinst unser hochverehrter grüner Bürgermeister Peter Todeskino als er auf – im diplomatischen Jargon – Unregelmässigkeiten in baurechtlichen Verfahren angesprochen wurde. Das beruhigte die Kieler Bevölkerung sehr, wusste man nun doch, dass man immer auf der rechts-sicheren Seite steht. Als Stadt. Als Bürger/in natürlich nicht zwingend.
Bis gestern. Da brach Verunsicherung los und manchmal auch aus. Gerade im sicheren Gefahrengebiet Gaarden ereignete sich ein Zwischenfall der in seiner ganzen Tragweite kaum fassbar ist. Die Landeshauptstadt Kiel hängte illegal ein Schild zur Bewerbung des Billigverkaufs öffentlichen Eigentums auf oder anders gesagt: zur Subventionierung des Multi-Millionärs Kurt Krieger (Höffner / Möbelkraft / Sconto…).
Mit illegal ist hier nicht gemeint, dass öffentliche Geldmittel (sind eh nur 30.000 Euro oder so) zur Bewerbung der Gemeingutschädigung eingesetzt werden. Das verstehen viele Kieler gut – sie kennen das gar nicht anders und wollen das auch so: Ein bischen rumschnarchen und alles wird immer besser in Kiel. Jeden Tag. Für diejenigen, die lesen können erklären das auch die Kieler Nachrichten / KN: Jeden Tag (außer Sonntags leider) darf man lesen, dass sich alles verbessert hat. Die Umweltsituation wird besser, das Soziale wird besser. Alles wird immer besser – in Kiel. Klar das das nicht von alleine kommt. Alleinig dem Umstand, dass wir von der rechten SPD regiert werden und das in einer Kollateration mit Grünen und SSW verdanken wir diese glückliche Fügung des Schicksals. Auch deswegen gibt es Kiel keine Korruption. Ja, wir sind die erste deutsche Stadt, die korruptionsfrei ist.
Grade weil hier alles so überirdisch gut ist, die Zufriedenheit der Kielerinnen und Kieler in Worten kaum ausdrückbar ist, kann man den Schock verstehen, den viele erleiden mussten als sie ein unrechtmässig aufgehängtes Schild sahen.
Es geht dabei nicht um die Unrechtmässigkeit als solches. Da kann man einfach von ausgehen in Kiel: SSW, Grüne und SPD prüfen unermüdlich, wie man die Glücksgefühle aller KielerInnen noch ein Quentchen steigern kann. Selbstverständlich wurden sämtliche verfassungsrechtlichen Aspekte der Werbekampagne für Kurt Krieger intensiv beraten und gewogen. Dabei kam ganz einfach raus, das man gar nicht gleich behandeln muss, was sowieso ungleich ist: Dem Projekt eines Großinvestors muss man einfach mehr Raum, Zeit und Geld einräumen als dem ersten erfolgreichen Kieler Bürgerbegehren, das grade mal 12.000 Unterschriften vorlegen konnte. Nicht umsonst heisst es ja GROSS-Investor – da muss man klotzen. Das versteht der Kieler dann schon. Kiel ist großartig. Kleine Geschäfte und Handwerksbetriebe in Kiel plattmachen – das geht. Das stört keinen großen Geist. Das passt. Das ist modern, kreativ, innovativ, umweltfreundlich – immer ganz nah dran am göttlichen Ratschluss. Immer ans Große Ganze denken!
Was die Schockwellen auslöste waren vielmehr die Verletzung der Regeln des Aufstellens von Werbeschildern im schönsten Kiel (1), das es jemals gab:
Es ist darauf zu achten, dass an Kreuzungen / Einmündungen sowie an Fußgängerüberwegen / Fußgängerquerungshilfen die Sichtwinkel frei bleiben und auch keine sonstigen Verkehrsbehinderungen entstehen. Ebenfalls darf die Sicht auf Verkehrszeichen nicht behindert werden. Flächen vor Gebäude- und Treppenzugängen sowie Einfahrten sind frei zu halten.
An Verkehrsschildern dürfen keine Stellschilder / Plakate angebracht werden. Dazu gehören auch Lichtmasten, an denen Verkehrsschilder angebracht sind. Vor und an Lichtzeichenanlagen ist die Beschilderung verboten.
Sollte gegen eine der vorstehenden Auflagen verstoßen werden, wird das Tiefbauamt oder eine vom Tiefbauamt beauftragte Firma, ohne jegliche Vorwarnung die Plakatträger auf Ihre Kosten entfernen lassen.
Stellen Sie sich einfach vor, Sie hätten noch nie was Schlimmes erlebt und dann erleben sie einen Rechtsverstoß und der ist so arg, dass gleich zwei Regeln verletzt werden. Da kommt der normale durchschnittliche Kieler und auch die Gaardenerin nicht mehr mit. Das liegt einfach nicht im Erfahrungsspektrum und dementsprechend drastisch fielen die Reaktionen aus: Tränenüberströmte Gesichter, schreiende Menschen und Kinder die sich mit Bittschriften an das Stadtoberhaupt wandten waren noch die mildesten Auswirkungen. Hätte die Stadt in ihrer unendlichen Weitsicht nicht seit Jahren dafür gesorgt, dass der Zugang zum Wasser so gut wie möglich privatisiert und abgesperrt ist – wie viele Menschen hätten wohl das nasse Grab gewählt?
Auch hieran kann man erkennen, dass der durchschnittliche Mensch gar nicht wissen kann – geschweige denn begreifen – wie weit die Fürsorge, Vor-Sicht und Weit-Sicht gediehen ist, die uns von unserer fantastischen Führungselite zu Teil wird.
Schließlich sorgte eine seltene Lichterscheinung über der Kieler Bucht, dass die verunsicherten Menschen, den Gottesschluss mit der Landeshauptstadt Kiel erkannten und allgemeine Zufriedenheit in die Hütten von Arm und Reich einkehrte.
Nur ein paar wenige, kaum messbar ihre Zahl, gründeten eine Art Sekte, die vom Glauben an das gottgewollte Kiel abfiel und ketzerische Thesen aufstellte: So seien Entscheidungen der Leistungs- und Hoffnungsträger des Kieler Rathauses gar nicht gottgewollt. Einige behaupteten die Existenz von außerirdischen Mutanten, die über uns gekommen seien in der Gestalt von Menschen. Andere sprachen von der dunklen Seite der Macht, die von Kiel Besitz ergriffen habe. Aber das sind nur Einzelmeinungen von Verwirrten.
Die Kieler Nachrichten stellten alles richtig und erfreuten mit leichtem Spiel und Gesang und Häppchen. Alles wurde gut und es war gut und wurde immer besser – jeden Tag.
Zu guter Letzt löste sich dann noch die Stadt auf: Und das kam so. Als die Stadt das von ihr unrechtmässig angebrachte Schild selber abnahm und dabei hart mit sich ins Gericht ging: „Du-Du-Du!“ machte es auf einmal PLUMPS. Es war nämlich so eine Art Schwarzes Loch entstanden und da das Schild das letzte Hemd war, was man noch hatte, war da jetzt nichts mehr. Alles fiel in sich zusammen und die Stadt hörte auf zu existieren als sozialer und kultureller Lebensraum.
Seltsam, aber so steht es geschrieben.
(1) Während Sie dieses gelesen haben wurde Kiel weiter verbessert und ist noch schöner geworden. Damit das so bleibt: Einfach mal JA! sagen am 23.3. und nicht immer nur verweigern und rumnörgeln.
—- Satiremodus aus —-
Nachtrag: Wer sich ganz sachlich :-) informieren will zu Teilen des oben Beschriebenen:
Unfair: Warum verstößt die Landeshauptstadt Kiel gegen ihre eigenen Nutzungsauflagen?