Naturzerstörung für den Überwachungsstaat

Naturzerstörung für den Überwachungsstaat? – Die Polizei als Stadt- und Landschaftsplaner in Hamburg
Die Polizei Hamburg beteiligt sich nach eigenem Bekunden seit mehreren Jahren „strukturiert“ und „regelhaft“ an der Stadtplanung in Hamburg. Aus kriminalpräventiven Gründen ist sie offenbar an einer Ausräumung von Bäumen, Sträuchern und Hecken aus dem öffentlichen Raum interessiert. Der seit einigen Jahren unbemerkt durchgeführte Einsatz von fliegenden Überwachungs-Drohnen in Hamburg könnte diese Bestrebungen zur „Entlaubung“ der Stadt noch verstärken.

„Die uniformierte Präsenz in Hamburg wird massiv erhöht“, vereinbarten CDU, Schill-Partei und FDP in ihrem Koalitionsvertrag 2001, und fassten ergänzend den Beschluss, in Hamburg „wucherndes Grün zügig zu beseitigen“. Wenig später legte die Koalition unter der Regie der Schill-Partei ein Handlungskonzept zur Verbesserung von Sicherheit und Sauberkeit in der Stadt vor, das als eines seiner Hauptziele die Beseitigung des „Wildkrauts im Straßenraum“ herausstellte und dafür einige Millionen Euro einplante. Dazu sollte das „Straßenbegleitgrün zur wirtschaftlichen Pflege und Kostensenkung“ neu gestaltet werden. Verstärkt sollten dafür unqualifizierte Sozialhilfeempfänger und Asylbewerber zum Einsatz kommen.

Die dann einsetzende, überall zu beobachtende „Säuberung“ der Stadt von ihrer natürlichen Vegetation löste vielfach Empörung aus und ist in Presseartikeln und Bürgerschafts-Drucksachen dokumentiert, so etwa in einem Artikel der Tageszeitung (taz) vom 19.11.2003, wo es hieß:

„Weil sich der Senat die Verbesserung der Sicherheit und Sauberkeit der Stadt vorgenommen hat, roden die Bezirke vielerorts das Buschwerk an Straßenrändern. Als die GAL Nord entsprechende Pläne zu sehen bekam, reagierte sie schockiert. ‚Mit der Rodung würden wir weitere biologisch wertvolle Kleinflächen verlieren‘ …“.

In einem Antrag zum Haushaltsplan-Entwurf 2004 geißelte die SPD-Bürgerschaftsfraktion am 8.12.2003 scharf den Hamburger Senat wegen seiner

„Politik, Büsche und Bäume an Straßenrändern rauszureißen und keine Straßenbäume mehr nachpflanzen zu lassen … Gleichzeitig wird den Bezirken in einer Globalrichtlinie der Kahlschlag am Straßenbegleitgrün und Aussaat von Rasen diktiert“.

Inwieweit die Polizei Hamburg unter Innensenator Schill bereits zu diesem Zeitpunkt an der Planung zur Beseitigung großer Teile der Vegetation im öffentlichen Raum Hamburgs beteiligt war, ist derzeit noch nicht bekannt. Einem aufschlussreichen Artikel des Landeskriminalamtes im Hamburger Polizeibericht 2009 lässt sich indes auf den Seiten 88 – 93 entnehmen, dass die Polizei Hamburg spätestens seit 2005 Aktivitäten entwickelte, ihr „spezielles Fachwissen … verstärkt und strukturiert in die stadtplanerische Arbeit ein[zu]bringen“.

Am 17. November 2005 veranstaltete die Polizei Hamburg zusammen mit der Sicherheitskonferenz Altona und der Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft (STEG) in Hamburg-Bahrenfeld eine Tagung zum Thema Kriminalprävention für die „Wachsende Stadt“.

Eine anschließend im Landeskriminalamt eingerichtete Arbeitsgruppe erstellte daraufhin eine „Fachanweisung für die Implementierung einer Verkehrlichen und Städtebaulichen (Kriminal-)Prävention bei der Polizei Hamburg“, die im September 2008 vom Polizeipräsidenten Werner Jantosch in Kraft gesetzt wurde.

Aus dieser Arbeitsgruppe stammt offenbar der erwähnte, von zwei LKA-Mitarbeitern verfasste Beitrag „Sichere Stadtgestaltung – Kriminalprävention“ im Hamburger Polizeibericht 2009, Seite 88 – 93. In ihm wird deutlich, dass ein Großteil der kriminalpräventiv-stadtplanerischen Absichten der Polizei gegen die Vegetation in der Stadt gerichtet sind. Denn: „Bäume, Büsche und Hecken bieten sich als ideale Versteckmöglichkeiten an …“. Begrünungen sollten „mit einem Sicherheitsabstand von zwei Metern zum Wegesrand gesetzt werden“. Und es sollten auch „ausreichend gute Sichtmöglichkeiten für ‚wachsame Nachbarn‘ vorhanden sein“.

Aus polizeilicher Sicht ist die Stadtvegetation offenbar ein Sicherheitsrisiko. Vielleicht erklärt sich so, dass – unter dem irreführenden Werbeslogan „Qualitätsoffensive Freiraum“ – die öffentlichen Grünflächen in Hamburg immer durchsichtiger und vegetationsärmer werden, um Sichtachsen – Auflichtungen – Sichtbeziehungen, und damit die Voraussetzungen für eine flächendeckende soziale und staatliche Kontrolle des öffentlichen Raums zu schaffen.

Nach Informationen, die der ISEBEK-INITIATIVE vorliegen, werden seit mindestens zweieinhalb Jahren – von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen – Überwachungsfluggeräte (Drohnen) zur Observierung von Menschenansammlungen in Hamburg eingesetzt. Das Interesse der Überwacher dürfte verstärkt darauf ausgerichtet sein, sichtverdeckende Bäume, Büsche und Hecken nach Möglichkeit abzuholzen.

Die nach eigenem Bekunden „strukturierte“ und „regelhafte“ Einflussnahme der Polizei auf die Stadt- und Landschaftsplanung in Hamburg findet anscheinend unter Ausschluss der demokratischen Öffentlichkeit statt. Unklar ist, ob denn die nach der Verfassung als Exekutivorgan des Staates eingerichtete Polizei überhaupt als selbständiger politischer Akteur auftreten darf, um ihre auf Kontrolle des öffentlichen Raums ausgerichteten Interessen in politischen Abstimmungsverfahren verdeckt durchzusetzen.

Die Polizei verliert damit auch ihre politische Neutralität bei der Ausübung ihrer wichtigsten Aufgabe: rechtswidrige Handlungen zu unterbinden. So sind in letzter Zeit wiederholt Fälle bekannt geworden, in denen die Polizei bei Naturschutzdelikten, in denen es um die illegale Beseitigung von Vegetation im öffentlichen Raum ging, nicht pflichtgemäß eingeschritten ist, – möglicherweise ein Indiz für ihr parteiliches Verhalten.

Weitere Informationen finden sich auf den Themenseiten zur STADTNATUR.
ISEBEK-INITIATIVE zum Schutz der Stadtnatur – im Netzwerk Recht auf Stadt

Quelle: Isebek-Initiative zum Schutz der Stadtnatur