LobbyControl enthüllt verdeckte Meinungsmache auch bei Biosprit

Umfassende Aufklärung und verpflichtendes Lobbyregister gefordert
Köln. Nach den Enthüllungen zur verdeckten PR der Deutschen Bahn hat LobbyControl nun einen weiteren Fall ähnlicher Dimension aufgedeckt: Diesmal ist es der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. (VDB), der gegenüber LobbyControl einräumen muss, dass er monatelang mit unlauteren Mitteln Öffentlichkeitsarbeit für seine Ziele betrieb.

Der VDB repräsentiert nach eigener Aussage 80 Prozent der deutschen Biokraftstoffkapazitäten. Wie Claus Sauter, der heutige Präsident des Verbands, bestätigt, wurde Anfang 2008 das auch im Fall Deutsche Bahn tätige Lobbyunternehmen EPPA GmbH mit der Erstellung einer Analyse und der Durchführung einer Kampagne beauftragt. Dieser erneute Fall verdeckter politischer Einflussversuche zeigt, wie notwendig in Deutschland mehr Lobby-Transparenz ist. LobbyControl hat deshalb jüngst eine Online-Unterschriftensammlung für ein verpflichtendes Lobbyistenregister gestartet.

Laut Aussage von Claus Sauter sind Rüdiger May und Josef Grendel bereits Mitte 2007 im Namen der deutschen EPPA GmbH an den VDB herangetreten. Das dabei besprochene Angebot habe vorgesehen, eine umfassende Analyse der medialen Berichterstattung vorzunehmen, die sich zu dieser Zeit schlagartig gegen Biokraftstoffe gewendet habe. Umweltverbände und Entwicklungsorganisationen hatten damals zunehmend ökologische Bedenken vorgebracht und Biokraftstoffe als Auslöser von Hunger in Entwicklungsländern kritisiert. Neben dem Erstellen einer medialen Analyse sah das Angebot eine Öffentlichkeits-Kampagne vor, um der Kritik an Biokraftstoffen entgegenzuwirken. Laut dem damals noch als Vorstandsmitglied tätigen Claus Sauter wurde dabei zumindest im Vorstand nicht über die Methoden gesprochen. Es sei aber klar gewesen, dass auch die Denkfabrik Berlinpolis an der Ausführung beteiligt sein würde, in der Rüdiger May und Josef Grendel zu diesem Zeitpunkt noch als Gesellschafter tätig waren.

Nachdem der Vertrag zustande gekommen war, wurden Sauter zufolge auch die Mitglieder informiert, darunter zahlreiche börsennotierte Unternehmen. Im Anschluss an den Vertragsabschluss begannen Mitarbeiter von Berlinpolis inhaltlich stets gleiche Leserbriefe zum Thema Biosprit zu veröffentlichen. Diese sind größtenteils mit den Namen Sina Pawlowski, Markus Becker und Katrin Päzolt unterschrieben, die zu diesem Zeitpunkt für Berlinpolis tätig waren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen findet sich kein Hinweis auf ihre Tätigkeit bei Berlinpolis. Ein Auftragsverhältnis mit dem VDB ist nicht erkennbar. Die Leserbriefe wurden unter anderem bei FAZ.Net, FR-Online, FR-Blog, NZZ, Welt, Net-
zeitung, Berliner Zeitung, Focus Online, Junge Welt, Märkische Allgemeine und der Taz veröffentlicht. Darüber hinaus publizierte der Berlinpolis-Geschäftsführer Daniel Dettling Artikel im Namen von Berlinpolis bei der FTD und der Welt, in denen er schreibt, dass Biokraftstoffe zu Unrecht in Verruf geraten seien. Wie schon im Fall der Bahn wurde die Internetseite www.zukunftmobil.de, die inzwischen aus dem Netz genommen wurde, als Plattform für Online-Beiträge genutzt, die nicht als PR erkennbar waren.

Des Weiteren gab Berlinpolis eine Forsa-Umfrage zum Thema Biosprit in Auftrag und veranstaltete eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Tank oder Teller?“. Auf dem Podium anwesend waren unter anderem die CDU-Politikerin und Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen (BMELV), Michael Kauch (MdB und umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion) sowie Helmut Lamp (MDB für die CDU und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie). Eine finanzielle Vergütung der Politiker soll es nicht gegeben haben.

Weitere Brisanz erhält der Fall durch einen nicht als PR-Beitrag gekennzeichneten Artikel der Berlinpolis-Mitarbeiterin Katrin Päzolt zum Thema Energie auf der Website der „Kreativen Ökonomie“. Die Seite wird vom Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie in Nordrhein-Westfalen betrieben, das sich unter anderem auch mit Biosprit-Fragen beschäftigt. Aufbau, Programmierung und Pflege des Internetportals unterlag von 2007 bis 2009 Berlinpolis. Laut Wirtschaftsministerium ist der Vertrag inzwischen ausgelaufen. Das Portal ist aber noch online.

VDB-Präsident Claus Sauter erklärte gegenüber LobbyControl, nichts von den verdeckten Aktionen gewusst zu haben. Ob diese möglicherweise mit dem damaligen Präsidenten Arnd von Wissel oder der damaligen Geschäftsführerin Petra Sprick abgesprochen waren, könne er jedoch nicht ausschließen. Ihm seien lediglich die Artikel von Daniel Dettling und zwei eigens produzierte Videos bekannt gewesen, die bei youtube und auf der Seite www.zukunftmobil.de zu sehen gewesen seien.
Mitte 2008 sei dann beschlossen worden, vorzeitig aus dem eigentlich für ein Jahr konzipierten Vertrag auszusteigen. Grund sei Unzufriedenheit über die Art und Weise gewesen, wie die Werbemaßnahmen umgesetzt wurden. Dieser Beschluss soll bei einer Vorstandssitzung und bei der anschließenden Mitgliederversammlung gefallen sein. Über das finanzielle Volumen des Auftrages will der VDB keine Auskunft erteilen.

„Wie im Fall der Bahn wurde hier mit den gleichen Methoden versucht, Öffentlichkeit und Politik dadurch zu beeinflussen, dass vermeintlich unabhängige Dritte im Sinne der Biosprit-Industrie in die öffentliche Debatte eingriffen. Diese Manipulation von Politik und Öffentlichkeit ist absolut inakzeptabel“, kritisiert Heidi Klein, Vorstandsmitglied von LobbyControl. „Die Beteiligten müssen jetzt alle Karten auf den Tisch legen“, fordert Klein. Es müsse eine vollständige Aufklärung über Inhalt und finanzielles Volumen des Auftrages sowie die Verantwortlichkeiten geben.

Weiterhin unklar ist, ob auch andere Unternehmen und Verbände auf die Dienste von EPPA GmbH und Berlinpolis zurückgriffen. Erst Ende letzter Woche hatte der Deutsche PR-Rat die EPPA GmbH für die Durchführung und Steuerung der Bahn-Affaire öffentlich gerügt. Laut PR-Rat hat das Lobbyunternehmen keinerlei Mitwirkung am Verfahren gezeigt. Deshalb könne nicht bewertet werden, ob EPPA GmbH inzwischen von seinem „unethischen Geschäftsgebaren“ Abstand genommen habe. „Diese mangelnden Aufklärungsmöglichkeiten zeigen, dass eine freiwillige Selbstkontrolle im Ernstfall ein zahnloser Tiger bleibt. Wir fordern daher ein gesetzlich verankertes Lobbyisten-Register, das Lobbyisten zur Transparenz über ihre Auftraggeber und Budgets verpflichtet“, so Heidi Klein.

LobbyControl sammelt dazu aktuell unter www.lobbycontrol.de Unterschriften, die im Herbst dem nächsten Bundestag übergeben werden sollen.
Berlinpolis verweigerte LobbyControl gegenüber jegliche Aussage zu den erhobenen Vorwürfen. Rüdiger May von EPPA GmbH und Josef Grendel von Grendel & Comp reagierten nicht auf die Anfragen von LobbyControl.

Ausführliche Informationen zu den Vorgängen bei der Deutschen Bahn und der Beteiligung von EPPA GmbH und Berlinpolis finden Sie unter:
www.lobbycontrol.de/blog/wp-content/uploads/die-verdeckte-einflussnahme-der-deutschen-bahn.pdf

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Quelle: LobbyControl