Oxfam: Haltung der Industrieländer beim weltweiten Klimaschutz ist erschreckend

Quelle: Oxfam Deutschland

Bisher vorgeschlagene Klimaschutzziele der reichen Länder haben mindestens +3°C Temperaturanstieg zur Folge

Berlin/Bonn. Am Ende der zweiwöchigen Verhandlungsrunde in Bonn sind die Regierungen in den beiden zentralen Fragen – ausreichende Emissionsreduktionsziele der Industrieländer und Finanzierung des Klimaschutzes in armen Ländern – nicht vorangekommen. „Der Widerstand der Industrieländer gegen ein faires und ambitioniertes Abkommen ist erschreckend. Ihre bisher angebotenen Klimaschutzziele laufen auf einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um etwa +3 °C hinaus“, sagt Jan Kowalzig, Referent für Klimawandel bei Oxfam Deutschland. Dabei sei hinlänglich bekannt, dass der Klimawandel spätestens ab +2°C außer Kontrolle geraten dürfte und eine Katastrophe zu erwarten sei.

Hunderte Millionen Menschen in den armen Ländern leiden schon heute unter den Folgen des Klimawandels, wie zunehmende Unwetterkatastrophen, Dürren, Ernteausfällen. Bleiben die Industrieländer weiter unbeweglich, gerät der weltweite Klimaschutz insgesamt in Gefahr. Die Folgen wären verheerend, viele Gesellschaften im Süden würden dies schlicht nicht bewältigen können“, so Kowalzig.

Fahrlässige Emissionsziele

Um ihren gerechten Anteil am globalen Klimaschutz zu erfüllen, müssten sich die Industrieländer laut Oxfam zu mehr als 40 Prozent Reduktionen verpflichten. Bisher bleiben die reichen Länder mit ihren angebotenen Klima-Zielen sogar hinter den vorläufigen Zusagen von 2007 in Bali zurück, ihre Treibhausgase um 25-40 Prozent bis 2020 (gegenüber 1990) zu senken. Zurzeit summieren sich die Angebote der Industrieländer auf nur sieben bis 15 Prozent. „Dieses Verhalten höhlt das Vertrauen der Entwicklungsländer aus“, berichtet Kowalzig.

Kurz vor Schluss haben 40 Entwicklungsländer, darunter Südafrika und China, heute einen Vorschlag eingereicht, der konkrete Reduktionsziele für die einzelnen Industrieländer enthält. „Die armen Länder haben angekündigt, dass sie erst mit den Verhandlungen beginnen werden, wenn sich die reichen Länder in dieser Sache bewegen“, so Kowalzig.

Finanzierung ungelöst

Auch bei der zweiten zentralen Frage, der finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer, sind die Verhandlungen nicht nennenswert vorangekommen. „Etwa die Hälfte des Klimaschutzes bis 2020 muss in den armen Ländern erfolgen, denn auch dort wachsen die Emissionen. In einem global gerechten Abkommen müssten die Industrieländer aber einen Großteil dieser Reduktionen finanzieren oder durch die Bereitstellung von Technologie ermöglichen“, fordert Kowalzig. Auch bei der Frage der Finanzierung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, wie verbesserte Frühwarnsysteme oder die Einführung von trockenresistenten Getreidesorten, sind die Verhandlungen nicht vorangekommen.

„Ein System mit freiwilligen Finanzzusagen ist hierfür nicht geeignet; das zeigen die vielen, nicht eingelösten Versprechen der Vergangenheit“, sagt Kowalzig. Oxfam schlägt deshalb die Einführung eines globalen Finanzmechanismus vor, der sich durch den Verkauf von Emissionszertifikaten finanziert und jährlich mindestens 150 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern aufbrächte. Die Entwicklungsländer selbst haben die reichen Länder dazu aufgerufen, 0,5 bis ein Prozent ihres Bruttonationaleinkommens bereit zu stellen.

Mandat noch offen

Nach den zwei Wochen in Bonn hat die UN nun hunderte Seiten Text mit Vorschlägen aller Länder vorliegen – die eigentlichen Verhandlungen, welche Vorschläge im Vertragstext erhalten bleiben, haben noch gar nicht begonnen. „Es bleibt spannend, ob die UN heute noch ein Mandat verabschieden, damit die vorliegenden Vorschläge bis zum Beginn der nächsten Verhandlungsrunde im Oktober zusammengefasst werden können“, erklärt Kowalzig. „Das wäre wichtig – sonst könnte es passieren, dass bis zum Ende der Verhandlungen in Kopenhagen im Dezember kein brauchbares Vertragswerk vorliegt.“

Staats- und Regierungschefs müssen sich persönlich einsetzen

Das Zeitfenster schließt sich. „Die Staats- und Regierungschefs sollten den Klimawandel ganz oben auf ihre Agenda setzen. Der G8-Gipfel bietet dazu die nächste Gelegenheit. Die Delegierten der reichen Länder haben die letzen zwei Wochen wenig für ein ambitioniertes und gerechtes Abkommen getan. Jetzt braucht es Engagement auf höchster Ebene, um das Ruder herumzureißen und so die humanitäre Katastrophe zu verhindern, die der ungebremste Klimawandel langfristig bedeuten würde“, fordert Kowalzig.

Fotos und Beispiele zu den Folgen des Klimawandels in Entwicklungsländern finden Sie hier.