Arten- und Sortenbeschreibung von Rittersporn

Autor: Gregor Dietrich

Als hohe blaue Blütenkerzen im Staudenbeet oder bunte Sommerblumen kennen wir den Rittersporn. Aber auch rote und gelbe Töne gibt es in dieser Pflanzengattung.

Ist Rittersporn jetzt eine Staude oder einjährig? Diese Frage wird oft gestellt. Kultivierter Rittersporn der 350 – 400 Arten zählenden Gattung Delphinium ist zumeist mehrjährig, also eine Staude. Einige Arten sind allerdings nicht ganz winterhart und werden daher bevorzugt einjährig kultiviert. Wirklich einjährige Arten der Gattung werden bei uns nur von ein paar Pflanzenfreaks kultiviert. Der einjährige Rittersporn der Gärten gehört in die kleine, eine Hand voll Arten zählende Gattung Ackerrittersporn (Consolida).

Besondere Blüten

Die Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae), zu denen die Rittersporne gehören, zweigen im Stammbaum an der Basis der Echten Zweikeimblättrigen (Rosopsida) ab, sind also eine primitive Familie. Alle urtümlicheren Pflanzen davor hatten noch eine einfache Blütenhülle (Perigon) und keine Trennung in Kelch und Krone. Erstmals experimentieren die Hahnenfußgewächse mit einer Teilung der Blütenhülle. Was in dieser Familie dabei alles möglich ist, wäre allein einen Artikel wert. Wenn wir uns aber jetzt darauf beschränken, die Ritterspornblüte mit typischen Blumen zu vergleichen, dann sind jene meist blauen bis violetten Blütenblätter der Kelch, der bei höher entwickelten Pflanzen grün und unscheinbar wird. Die Kronblätter, die üblicherweise die Schaufunktion übernehmen, werden von Ritterspornfreunden Biene genannt. Es sind vier kleine behaarte Blätter im Zentrum der Blüte, die oft zum Kelch kontrastierend gefärbt sind (schwarz, braun, gelb, weiß). Das obere Kelchblatt bildet einen Sporn. In diesem Sporn sitzen Sporne der zwei oberen Kronblätter, die Nektar produzieren. Bei Consolida sind die nur drei Kronblätter verwachsen und bilden einen gemeinsamen Nektarsporn. Rittersporn hat drei Fruchtblätter, Ackerrittersporn nur eines. Die Früchte des ersteren sind daher dreiteilig, bei letzterem einteilig.

Hochstauden

Unsere typischen Gartenrittersporne sind Hybriden verschiedener blau- bis violett blühender europäischer und asiatischer Gebirgsarten, wobei unser heimischer, vom Apennin bis nach Ostsibirien vorkommender Hoher Rittersporn (D. elatum) eine große Rolle spielt. In Mitteleuropa kommt er in zwei bis drei Unterarten und mehreren Varietäten vor: der westalpischen, Vorarlberg gerade erreichenden subsp. helveticum mit für die Art schmalen Kelchblättern und schwarzer Biene und der typischen, von Europa bis Sibirien vorkommenden subsp. elatum mit brauner bis schwarzer Biene. Letztere kommt bei uns in den Sudeten und in den Alpen in mehreren an der Behaarung unterschiedenen (zum Teil auch als Unterarten angesehenen) Varietäten von den Tauern bis nach Vorarlberg und Südtirol vor. Möglicherweise ist der durch von der allgemein üblichen Behaarung sehr abweichende dichte gelbe Flaschenhaare auf der Blüte ausgezeichnete in Tirol und Vorarlberg vorkommende Tiroler Hohe Rittersporn als subsp. tiroliense eine gute Unterart. All diese Sippen sind durch Übergänge verbunden. Der besonders hohe, in Salzburg, Steiermark und Kärnten endemische, gefährdete Österreich-Rittersporn (D. austriacum) mit weißer bis gelber oder blauer Biene (die östliche var. austriacum mit kahlen Kelchblättern und Blütenstielen, die behaarte var. stiriacum im Westen) wurde kürzlich zur Art erhoben und unterscheidet sich auch durch hellere und kleinere Samen. Etwas aus der Reihe tanzt das kürzlich beschriebene D. apolanum (nach seinem Entdecker, dem Erysimum-Bearbeiter Adolf Polatschek), der Osttiroler Rittersporn, vermutlich ein Endemit der Deferegger Alpen. Im Gegensatz zu den anderen heimischen Arten fallen die Kelchblätter nach der Blüte nicht ab, sondern bleiben erhalten. Die Biene ist weiß. Möglicherweise handelt es sich um eine reliktäre Sippe, aber auch eine Ansalbungsverwilderung einer Gartenform ist bei dieser doch sehr abweichenden Sippe nicht auszuschließen.

Gärtnerisch werden Arten kaum verwendet. Eigentlich ist es seiner ungewöhnlichen Farbe wegen nur der etwa 150 cm hohe, leider nicht allzu reichblütige Gelbe Rittersporn* (D. semibarbatum, im Handel meist unter D. zalil), der vom südlichen Himalaya bis in die Gebirge des Iran vorkommt. Winterschutz oder geschützte Lagen sind angebracht.
Die schönsten Sorten gehören zur Elatum-Gruppe. Diese Rittersporne werden recht hoch. Ihre dichten, wenig verzweigten, kerzenartigen Blütentrauben ragen je nach Sorte und Standort 80- 220 cm empor. Wichtige Sorten des heimischen Sortiments sind (Höhenangaben sind Durchschnittswerte und variieren je nach Standort):
Berghimmel*: hellblau mit weißer Biene, schlanke Traube, 180 cm
Blauwal*: mittelblau, schwarze Biene mit weißer Behaarung, dichtblühend, 200 cm
Finsteraarhorn: dunkelblau mit braunem Auge, 170 cm
Frühschein: hell lilablau mit schwarzer Biene, frühblühend, 170 cm
Lanzenträger*: enzianblau, weiße Biene, 200 cm
Morgentau: hellblau, rosa überlaufen, 180 cm
Polarnacht*: klares dunkelblau, weiße Biene, 160 cm
Schildknappe: dunkel violettblau, weißes Auge, 160 cm
Silver Jubilee*: weiß mit dunklem Auge, 170 cm
Sungleam: blassgelb, reichblütiger aber blasser als D. semibarbatum, 150 cm
Sonderbar wirkt die weiße Zwergform (80 cm) ‚Gajaneh‘ mit halbgefüllten weißen Blüten, denen die Biene fehlt. Die Kronblätter sind hier als Kelchblätter entwickelt.
Die Belladonna-Gruppe hat weniger dichte, oft stark verzweigte Blütentrauben und ist meist niedrigwüchsiger (50-160 cm). Es gibt sehr hübsche Sorten, die noble Ausstrahlung der Elatum-Gruppe haben sie jedoch nicht. Hier eine Auswahl in Österreich erhältlicher Sorten:
Atlantis*: nachtblau, 80 cm
Moerheimii: weiß mit gelber Biene, 100 cm
Völkerfrieden: ultramarinblau, 100 cm
Die meist ebenfalls niedrigere Pacific-Gruppe ist als einzige Hybridgruppe samentreu und kann daher durch Aussaat vermehrt werden. Diese Hybriden ähneln der Elatum-Gruppe, sind aber oft gedrungener und die Blütenkerzen sind an der Basis verbreitert. So sehen sie gegenüber den Elatum-Sorten etwas plump aus. Die besten Sorten sind:
Astolat: rosa mit dunkler Biene, 150 cm
Black Knight: dunkelviolett, 160 cm
Blue Bird: blau, weiß gerandet, 160 cm
Galahad: rein weiß, große Blüten, 170 cm
King Arthur: dunkelviolett mit weißer Biene
Percifal*: weiß mit schwarzer Biene, 160 cm
Summer Skies: himmelblau, 160 cm
Stand Up: verschiedene Blautöne, 90 cm

Inzwischen gibt es aber auch schon Samensorten, die nicht sortentreu weitervermehrt werden können. New Century F2 sind dicht gefüllt und entsprechen etwa dem Pacific-Typ. Es gibt verschiedene Farbton-Mischungen. ‚Centurion F1 Sky Blue‘ ist eine der neuen F1-Sorten. Himmelblau mit weißer Biene gehört er zu den besonders ansprechenden Formen. Wie die meisten Sämlingssorten ist er mit 160 cm Höhe verhältnismäßig niedrigwüchsig.

Kultur

Die eurasiatischen Gebirgsformen und ihre Hybriden benötigen ein mildfeuchten, humosen, nährstoffreichen Standort, der nicht zu heiß sein soll. Im pannonischen Ostösterreich tut Bewässerung Not. Auch ist in warmen Gebieten ein beschatteter Fuß wichtig. Schwere Lehmböden sowie Sandböden sind mit Lauberde und Kompost zu verbessern. In schneearmen Gebieten neigen Rittersporne – obwohl Gebirgspflanzen – zum Auswintern.
Die Aussaat der Pacific-Sorten erfolgt am besten im Spätherbst, im Frühjahr erscheinen dann die Keimlinge. Es ist aber auch möglich im zeitigen Frühjahr zu säen oder ganzjährig das trockene Saatgut für mindestens eine Woche bei 1 bis +2 °C zu lagern und dann auszusäen. Als Wechseltemperaturkeimer sind hohe Tag- und tiefere Nachttemperaturen, wie sie im Frühjahr in ungeheizten Glashäusern herrschen, ideal.

Rittersporn hat nicht nur Sonnenseiten: Im Austrieb gibt es oft Probleme mit Schneckenfraß, je nach Standort und Sorte kann die Standfestigkeit unterschiedlich sein, Welkeerkrankungen auf schweren Böden und bei Überdüngung, Mehltau bei Lufttrockenheit und von Blattläusen übertragene Virosen und Bakterienkrankheiten können Schäden anrichten, indem sie zu Ausfällen oder sehr unschönen Pflanzen führen. Blattläuse selbst, Minierfliegen und Eulenraupen richten dagegen meist geringen Schaden an.

Kleinstauden

Der Großblütige Rittersporn (D. grandiflorum, auch als D. chinensis im Handel) aus Ostsibirien und Westchina ist eine kurzlebige und in den Gartensorten nicht immer ganz winterharte Kleinstaude, die gerne einjährig gezogen wird. Sie ist als Staude wie über den Samenhandel erhältlich. Die Pflanzen erreichen etwa 50 cm Höhe und blühen blau. Der Sorte ‚Blauer Spiegel‘ fehlt der Sporn, ‚Blauer Zwerg’* wird nur 30 cm hoch. Die Kultur gleicht der der hohen Sorten. Ähnlich ist D. tatsiense.

Der rot blühende Nacktstängel-Rittersporn (D. nudicaule) aus dem nördlichen Kalifornien wird bis 50 cm hoch, die Sorte ‚Laurin’* mit nur 35 cm eignet sich für die einjährige Kultur. Um im Freien zu überwintern sind Winterschutz und vor allem ein nach der Blüte bis zum Frühling trockener Standort nötig. Im Gegensatz zu den blauen Arten und Sorten ist volle Sonne nötig. Eine Pflanzung im Alpinenhaus ist vorzuziehen. Eventuell können die knolligen Wurzelstöcke wie Dahlien überwintert werden.

Kübelpflanzen

Aus dem Süden Kaliforniens stammt der ebenfalls rot blühende Kardinals-Rittersporn (D. cardinale). Die Art ähnelt in der Kultur dem Nacktstängel-Rittersporn, wird aber bis 90 cm hoch und ist von noch geringerer Winterhärte. Eine Verwendung als Kübelpflanze oder im Alpinenhaus ist daher vorzuziehen. Geringfügig härter sind die aus dieser Art hervorgegangenen Butterfly-Hybriden in crème, gelb, rosa, orange und rot.

Hybriden der roten Kalifornier mit den klassischen Ritterspornen ergaben nach mühsamenr Arbeit sehr interessante Farbformen, von hellem rosa bzw. apricot bis orange und rot, die auch gartentauglich sind. Sie vertragen trockenere Standorte als die klassischen Sorten, benötigen aber keine Trockenheit. Leider sind diese Sorten noch kaum erhältlich und recht teuer. Die einzige bei uns regelmäßig erhältliche Sorte ist D. x ruysii ‚Rosa Sensation’*. Diese ca. 60 cm hohe Hybride entstand 1930 aus Sorten der Elatum-Gruppe und D. nudicaule. Es war die erste rosa Hybride nach 25 Jahren Kreuzungsversuchen durch den holländischen Züchter Ruys. 1950 folgte die mehr rötliche ‚Rose Beauty’*. Ab 1953 arbeitete Legro in Wageningen (NL) an weiteren roten Hybriden. Er brauchte ebenfalls ein viertel Jahrhundert um ‚Orange Beauty‘ zu entwickeln, die erste Sorte der University-Gruppe. Durch weitere Selektionsarbeit entstanden rötliche Hybriden mit Elatum-Wuchsform. Sehr schon ist beispielsweise Red Rocket*.

Sommerblumen

Der einjährige Rittersporn des Standardsortiments gehört in die kleinasiatisch-mediterrane Gattung Ackerrittersporn (Consolida). Es handelt sich um überwinternd Einjährige, d.h. sie keimen im Herbst und blühen im Frühsommer. Im Garten ist aber auch zeitige Frühjahrsaussaat der Kaltkeimer möglich. Über 15 °C keimen die Samen kaum. In winterkalten Gebieten erfrieren im Herbst keimende Pflanzen im Freien. Der Boden sollte nicht zu humos, sondern mineralisch sein. Meist ist es der Garten- Ackerrittersporn (C. ajacis), der in vielen Farben kultiviert wird. Die Pflanzen wachsen aufrecht und bilden kräftige Blütentrauben. Im oberen Teil (ab der Mitte) ist die je nach Sorte 60–120 cm hohe Pflanze oft auch verzweigt. Als hyazinthenblütig werden dichtblütige, weitgehend unverzweigte Sorten bezeichnet. Blühen diese gefüllt, so werden sie mitunter auch als levkojenblütig bezeichnet. Das Farbspektrum reicht von weiß über rosa bis purpur und über hellblau bis dunkelviolett. Mitunter können die Nektarblätter in der Mitte bei farbig blühenden Pflanzen auch weiß gefärbt sein (vor allem bei rosa blühenden Individuen). Meist aber haben sie die selbe Farbe wie der Kelch. Selten sind gefleckte Blüten zu beobachten, wie bei ‚Freckles’*.

Kaum mehr kultiviert werden Sorten des kleineren, auch bei uns heimischen, gefährdeten Gewöhnlichen Ackerrittersporns (C. regalis), die bereits im unteren Viertel verzweigen, oft kugelförmig wachsen, niemals vielblütige Blütentrauben, sondern immer Rispen bilden. Oft werden Sorten der vorigen Art fälschlich unter diesem Namen angeboten. Gartensorten blühen in den Farben weiß, rosa und blauviolett.

Selten ist der prächtig rotviolette Morgenländische Ackerrittersporn (C. hispanica, bekannter unter C. orientalis), der mit 180 cm Höhe (davon 100 cm Blütentraube) Ausmaße eines Staudenritterspornes erreichen kann (an ungünstigen Standorten aber auch nur 10 cm hoch wird) und sich durch braune Samen (andere Consolida-Arten: schwarz) auszeichnet. Früher soll er in Kultur verbreiteter gewesen sein, was der schönen Blüten wegen nicht verwunderlich wäre. Heute ist er in Mitteleuropa selten als verschlepptes Ackerbeikraut zu finden.

Mit * gekennzeichnete Arten und Sorten werden vom Autor besonders empfohlen.