Kiel-Kanal: Kreative Kanalarbeiter setzen auf Frühstück beim Bäcker vor 11 Uhr

Der Steuerzahler soll laut Aussage der Stadtplanung am Ende 10,8 € Millionen für den sogenannten Kiel-Kanal bezahlen. Die Stadtkasse ist (wenn es – wie nicht zu erwarten – bei dieser Endsumme bleibt) mit 5,8 Millionen dabei und fünf Millionen Euro erwartet die Stadt als Kompensationsmittel vom Land. „Kompensationsmittel“ seitens des Landes – dieser „goldene Zügel“ der Zuschüsse ist mit Vorsicht zu genießen, da er die Sinne für die Sinnhaftigkeit eines Projektes vernebelt (analog: „50% Rabatt auf dieses und jenes im Handel“).
Laut aktueller Argumentation (Todeskino in der KN) soll der Kiel-Kanal Kiels Antwort auf die Attacke Neumünster mit dem Factory Outlet Center sein. Die Einzelhandelskunden sollen nicht verlosen gehen und so der Stadt Kiel schaden.
Interessant daran ist, dass gar nicht mehr mit der Gewerbesteuer argumentiert wird. Offensichtlich weiß man zu genau, dass eh schon sehr wenige Einzelhändler überhaupt Gewerbesteuer zahlen und dass sich selbst im positivsten Fall diese Investition niemals rechnen wird.

Was bleibt ist die Argumentation mit zusätzlichen Arbeitsplätzen, die angeblich geschaffen würden. Das ist angesichts des bewusst in Angst und Schrecken gehaltenen Arbeitsmarktes ein erpresserisches Argument ohne jede Zahlenbasis.

Bei der aktuellen Haushaltssituation der Stadt ist die finanzielle Machbarkeit nicht gegeben. Anderes muss wichtiger sein.
Wenn das Projekt durchgesetzt wird, dann wird dieses Innenstadt-Projekt zugunsten des Einzelhandels und (vermeindlich) der Tourismuswirtschaft einzig und allein durch Verzicht auf Erhaltungsinvestitionen in den Wohngebieten der Stadt finanziert (siehe Zustand der Sportstätten und Schulen).
Der Stadtrand finanziert die Innenstadt. Im Gegenzug werden in der so angehübschten Innenstadt die Immobilien-/Mietpreise anziehen, was Verdrängungseffekte in Rich-tung Stadtrand zur Folge haben wird, mit eben den gleichen Effekten dort.
Hier wird deutlich die Perversion der aktuellen Kieler Stadtentwicklung deutlich.
Sie versucht nicht die Lebens-/Stadt-Qualität dort zu verbessern, wo sie unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Nein, sie überträgt das neoliberale Prinzip „wenn-wir-denen-oben-was geben-dann-fallen-auch-Krümel-für-die-unten-ab“ auf ihr Arbeitsgebiet. Es wird um die auswärtigen Unternehmen und auswärtigen High-Potentials geworben, für sie soll Kiel attraktiv werden. Diejenigen, die sich längst für Kiel entschieden haben und seit Jahren, vielleicht Generationen hier leben, interessieren nicht. Dieses interkommunale Schaulaufen für die „upper-class“ ist so sinnhaft wie Steuerdumping bei der Gewerbesteuer u.a.. Verlierer dabei ist immer die Öffentliche Hand insgesamt.

Weshalb eigentlich wird diese fast ausschließlich für den Einzelhandel und die Tourismus-Industrie der Innenstadt gedachte Investition nicht im Rahmen eines Business-Improvement-Districts (BID) geplant und finanziert.
Da könnten alle Kettenläden und Ladenbesitzer etc. sich die vermutlich 10-15 Mio. Euro nach Schlussabrechnung doch selbst teilen. Bei ca. 450.000 qm Verkaufsfläche und rund 1,7 Mrd. Euro Gesamtumsatz wären dies gerade einmal 22,22 bis 33,33 Euro pro qm oder 0,59 bis 0,89 % des EZH-Umsatzes.
Ist solch ein wunderschöner Kanal ohne Verbindung von A nach B und mit Zerschneidungswirkung für eine Vielfalt von Fuß- und Radwegeverbindungen (wie eine abgegitterte Stadtbahntrasse oder auch ein Strassen-Trog) nicht diesen Beitrag wert?

Aber vielleicht will man ja diese Art von „Verkehrslenkung“. Vielleicht planen ja die selben Leute die Einkaufs-Innenstadt, die auch die Einkaufs-Paradiese bei ALDI und Edeka planen – mit dem Weg zur Butter vorbei an den anderen Produkten mit guter Gewinnmarge, die eigentlich gar nicht auf dem Einkaufszettel stehen.
Was die angenommenen Kostensteigerungen angeht, so ist schon jetzt die Verteuerung sichtbar – waren ursprünglich 200.000 Euro für den Wettbewerb vorgesehen (siehe INSEKK4) so schreibt die KN aktuell von 400.000 Kosten für den Wettbewerb.

Ich sehe schon, wie das Attraktivierungsungeheuer, am „goldenen Zügel“ von der Politik gesteuert und geritten durch diesen Kanal huscht, wie andernorts „Nessi“.
Der Kanal soll die Kieler Antwort auf das Neumünsteraner Factory Outlet Center (FOC) sein. Aber: man wehrt sich nicht gegen ein FOC indem man es kopiert, sondern indem man diesen Aufrüstungsirrsinn durch landesplanerische Maßnahmen beendet. Hoffnungslos sollte uns nicht stimmen, dass der in dieser Frage erfahrene Ex-OB und nicht-mehr-ganz-neu Ministerpräsident Albig die Landesplanung in seiner Ressort-Zuständigkeit weiß.

Alternativen ausgeschlossen?
Kleine ebenso nutzlose Stadtteil-Kanäle von E nach F, G nach H …. von X nach Y …. Nach dem Motto : „Statt Speck für die Mäuse – Brot für die Stadt“
Weshalb kein auch für Fußgänger querbares Grün inkl. Allee (Stadtklima und kleiner Ausgleich für die Fläche, die an Möbel-Kraft verschachert wurde)
Grünflächenvernetzung in den Stadtteilen (Lebensqualität für Schon-Kieler)
Sportstätten-Erneuerung (Freiflächen, wie auch Badeanstalten)

ERKLÄRUNGEN
„Kanalarbeiter“ nannte man den heutigen Seeheimer Kreis der SPD, die Rechte, der auch T. Albig nach Kiel beorderte.

„Florian Gosmann vom Stadtplanungsamt wies auf eine Vorstudie hin: Die Häuser auf der Meislahn-Seite bekommen demnach bis 11Uhr Sonne und bieten sich zum Frühstück beim Bäcker an.“ (KN 18.09.2012, S. 18)

„INSEKK“(Integriertes Stadtentwicklungskonzept Kiel) Projektbeschreibung im INSEKK – Anlage 1 Seite 14

Quelle: WIR in Kiel