Lebensmittel: Produktionsausweitung als Reaktion auf Nahrungsmittelkrise 2008?

Kommentar Andreas Regner:
Die Nahrungsmittelüberproduktion in Europa auszuweiten verschlechtert die Situation der Umwelt (s. dazu Artikel zu Grünlandumbruch). Verbraucherschutzbestimmungen zu lockern, gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung, vor allem der ärmeren Bevölkerungsschichten. Die ökologisch völlig unsinnige Förderung sogenannten Biosprits sollte gestoppt werden – Biosprit ist nicht umweltfreundlich und führt zu künstlichen Preiserhöhungen bei Lebensmitteln. Dies kombiniert mit Lebensmittelspenden für arme Länder hat in der Vergangenheit vielfach zum Zusammenbruch regionaler Märkte geführt. Das ist keine Entwicklungshilfe, sondern Verschärfung von Abhängigkeiten.

Nachfolgend wird eine geringfügig modifizierte Pressemitteilung des Europäischen Parlaments dokumentiert.

Mit dem Herbst gingen Nahrungspreise deutlich zurück

Angesichts der Nahrungsmittelkrise in diesem Jahr stellt sich die Frage, ob EU-Landwirte künftig wieder verstärkt auf Masse setzten und die Produktion ausweiten sollten. Die irische Abgeordnete Mairead McGuinness, deren Bericht der Agrarausschuss diese Woche angenommen hat, warnt in diesem Zusammenhang davor, den Landwirten durch allzu strikte Vorschriften Fesseln anzulegen. Gleichzeitig müsse man sich langfristig auf höhere Preise für Qualitätsnahrungsmittel einstellen.
Auf dem Höhepunkt der Nahrungsmittelkrise erreichten die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis, Mai und Weizen Rekordmarken. Der Lebensmittelpreisindex der Welternährungsorganisation FAO (der die Durchschnittspreise wichtiger Nahrungsmittel reflektiert) lag im Juni 2008 gut 50% über den Werten von Anfang 2007. Die Weizenpreise waren binnen zwei Jahren sogar um 180% gestiegen. In einigen Entwicklungsländern kam es zu regelrechten Hungerrevolten.

Mittlerweile sind die Preise deutlich gesunken und liegen laut dem FAO-Index wieder in etwa auf den Niveau Ende vergangenen Jahres.

Gleichwohl warnte die FAO im November jedoch, dass Kreditverknappung und fallende Preise zu einer erneuten Versorgungskrise führen könnten, weil Landwirte den Anbau drosseln könnten und die Gefahr besteht, dass mittelfristig dringend notwendige Investitionen in die Landwirtschaft nicht getätigt werden.

Hilfe für die Ärmsten nötig

Mairead McGuinness (Europäische Volkspartei – Europäische Demokraten, EVP-ED), Berichterstatterin für den Landwirtschaftsausschuss weist in ihrem Bericht für den der Landwirtschaftsausschuss darauf hin, dass das vornehmliche Ziel sein müsse, die Folgen des Preisanstiegs für die Ärmsten der Welt abzumildern.

Dazu gehöre auch der kürzlich vom Parlament bewilligte 1-Milliarde-Euro-Fonds, mit dem Landwirte in Entwicklungsländer u.a. beim Kauf von Saatgut und Dünger unterstützt werden sollen. Allerdings kommt der Fonds ihrer Meinung nach sehr spät und werde kaum die Versäumnisse der letzten Jahre ausgleichen können: Der Anteil der Entwicklungshilfe, der in die Landwirtschaft investiert wird, ist von 17% 1980 auf nur 3% im Jahr 2006 gesunken.

EU-Bestimmungen als Ertragsbremse?

Doch warum kann das reiche Europa nicht seine Lebensmittelproduktion erhöhen und somit auch armen Ländern helfen? Mairead McGuinness weist auf agrar- und umweltpolitische Einschränkungen hin: Europa habe in den letzten Jahren Bestimmungen eingeführt, die die landwirtschaftliche Produktion strengen Regeln unterwirft, um Umwelt und Verbraucher zu schützen. Die strengen EU-Vorschriften , z.B. zu Pflanzenschutzmitteln, könnten jedoch dramatische Auswirkungen für die Erträge der europäischen Bauern haben, meint die irische Abgeordnete.

Luis Manuel Capoulas Santos (Sozialdemokratische Fraktion, SPE), Parlamentsberichterstatter für die jüngste Überprüfung der europäischen Agrarpolitik, meint hingegen, dass der Hunger in der Welt weder von der europäischen Landwirtschaftspolitik verursacht noch von ihr aus der Welt geschaffen werden könne, wie immer auch sie konkret gestaltet würde.

Europa allein könne nicht die Ungleichverteilung von Armut und Reichtum in der Welt aufheben, allerdings könne die EU ihren Einfluss in der Welthandelorganisation WTO und in bilateralen Abkommen geltend machen, um das Problem zu bekämpfen, so Santos.

Lebensmittelpreise: Wie geht es weiter?

Capoulas Santos weist auf die allgemeine Volatilität von Lebensmittelpreisen hin und meint, dass man daher nicht vorhersagen könne, ob die Preise hoch bleiben oder wieder steigen.

Mairead McGuinness betont, dass qualitativ hochwertige Nahungsmittel ihren Preis haben. Es müsse ein Ausgleich gefunden werden, um Nahrungsmittelproduzenten angemessen für ihre Waren zu entlohnen und Kunden Lebensmittel zu bezahlbaren und vernünftigen Preise anbieten zu können.