Kolumbien: Keine Entwicklungshilfe für Militär-Einsätze

Protestaktion von Rettet den Regenwald
Bei seiner Südamerikareise im November hat Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel der kolumbianischen Regierung zugesagt, ihren Plan zur vollständigen Sicherung des Macarena-Gebiets („Plan de Consolidación Integral de La Macarena“ – PCIM) mit einer halben Million Euro zu unterstützen. Über die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) will Niebels Ministerium BMZ zivile Projekte wie Raum- und Umweltordnungspläne in der kolumbianischen Krisenregion La Macarena fördern und die Mitspracherechte der ansässigen Landbevölkerung stärken.

Was der Name des PCIM-Projekts allerdings nicht auf den ersten Blick offenbart: Es wird vom kolumbianischen Militär dominiert und soll in erster Linie die Aufstände im Land bekämpfen. Das Ergebnis dieser bereits seit Jahrzehnten betriebenen Politik sind Millionen vertriebene Menschen und Hunderttausende Tote. In der Region La Macarena tobt der bewaffnete Konflikt seit Jahren besonders heftig. Dort wurde 2009 Kolumbiens größtes Massengrab mit fast 2000 Leichen entdeckt. Viele Zeugen berichten, dass sich unter den Toten auch Zivilisten befinden. Der Fall ist bislang nicht aufgeklärt.

Fest steht: Militär und Polizei sind in Kolumbien in massive Verletzungen der Menschenrechte und des Internationalen Humanitären Rechts verwickelt. Besonders die hohe Zahl der Hinrichtungen machte im vergangenen Jahr Schlagzeilen. Dabei werden Zivilisten ermordet und der Öffentlichkeit als im Gefecht gefallene Guerilleros präsentiert. Mit diesen vermeintlichen Erfolgsmeldungen wird Propaganda gemacht. Lange Zeit erhielten Soldaten auch ein Kopfgeld für getötete Guerilleros. So kam es vermehrt zu den Morden an Zivilisten.

Neben Menschenrechtsverletzungen ist durch den PCIM-Sicherungsplan mit massivem Raubbau an der Natur zu rechnen. In der Region La Macarena, die auch einen Nationalpark mit hoher Biodiversität beherbergt, liegen große Vorkommen von Erdöl und mineralischen Bodenschätzen. Multinationale Agrarunternehmen planen dort riesige Kautschuk- und Ölpalmplantagen. Paramilitärische Gruppen und Militär haben bereits in anderen Landesteilen Hunderttausende Menschen von ihrem Land vertrieben, um der Ölpalm- und Zuckerrohrindustrie den Zugriff zu ermöglichen.

Sollte die deutsche Entwicklungshilfe diesen Plan unterstützen, würde sie ihre Neutralität verlieren. Ihr Kernziel, nämlich die Armut zu lindern und den Frieden zu fördern, wäre damit in Frage gestellt. Eine Prüfungskommission deutscher Nicht-Regierungsorganisationen hatte dem BMZ und Minister Niebel vor seiner Reise nach Kolumbien einen entsprechenden Bericht zukommen lassen. Dort rät die Kommission von einer Förderung der kolumbianischen Sicherheitspolitik zum jetzigen Zeitpunkt dringend ab, da das kolumbianische Militär das humanitäre Völkerrecht nicht respektiere und die zivilen Strukturen in der Region durch die Unterstützung geschwächt statt gestärkt würden.

Die deutsche Entwicklungspolitik darf auf keinen Fall die kolumbianischen „Sicherheitspolitik“ unterstützen. Bitte beteiligen Sie sich an unserer Protestaktion.

Textdokumentation Protest-Email

Herrn Minister Dirk Niebel
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
Dahlmannstraße 4, 53114 Bonn

Sehr geehrter Herr Minister Niebel,

ich habe erfahren, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Ihrer Führung plant, sich in Kolumbien im Rahmen des „Integralen Konsolidierungsplans der Macarena – PCIM“ mit 500.000 Euro zu engagieren. Ich bin darüber zutiefst besorgt und möchte Sie auf Folgendes hinweisen:

Wie aus dem Bericht „Humanitäres Völkerrecht, Menschenrechte und lokale Entwicklung in der Region La Macarena unter besonderer Berücksichtigung des „Plan de Consolidacion Integral de La Macarena“ (PCIM)“ http://tdh.de/content/meldungen/Kommissionsbericht_Macarena.pdf hervorgeht, handelt es sich beim PCIM in erster Linie um einen Sicherheitsplan der kolumbianischen Regierung, der seinen Schwerpunkt auf militärische Interventionen legt. Dieser Bericht ist Ihrem Ministerium am 3.10.2010 von Caritas International, Diakonie Katastrophenhilfe, kolko e.V., Misereor, AGEH und Terre des Hommes zugestellt worden.

Kolumbianische Menschenrechts- und Umweltorganisationen befürchten, dass im Vordergrund der Militär-Operationen im Rahmen des PICM das Interesse an den Ressourcen dieser Region steht. Sie sollen für internationale Unternehmen zugänglich gemacht werden. Die Folgen sind Raubbau an der Natur und Vertreibung der indigenen und bäuerlichen Bevölkerung.

Seit 2004 kontrolliert das kolumbianische Militär die Region „La Macarena“ und es kam zu Verfolgung sozialer Organisationen. Im Jahr 2009 wurde ein Massengrab mit bis zu 2000 Leichen entdeckt. Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge ist zu befürchten, dass es sich zumindest bei einem Teil der Getöteten um ermordete Zivilisten handelt. Die Täterschaft wird der Armee und paramilitärischen Gruppen zugeschrieben

Auch wenn sich die Menschenrechtssituation in der jüngsten Vergangenheit in einigen Regionen verbessert hat, möchte ich auf die weiterhin eklatante Diskrepanz zwischen dem öffentlichen Diskurs der kolumbianischen Regierung und der tatsächlichen Menschenrechtslage in Kolumbien hinweisen, die durch massive Gewalt gegen Zivilbevölkerung, Gewerkschafter, Opposition und Menschenrechtsverteidiger geprägt ist.

Ein Engagement der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) im Rahmen des PCIM hat auch eine fatale symbolische Wirkung, da sie einer militärischen Strategie der kolumbianischen Regierung Legitimität verleiht, die sich keineswegs an den Menschenrechten orientiert, sondern vielfach die Ursache von Verbrechen an ZivilistInnen ist. Außerdem stellt sich die deutsche EZ damit im Kontext des andauernden bewaffneten Konflikts an die Seite einer der Konfliktparteien und unterwirft sich deren sicherheitspolitischen Konzepten. Sie verliert damit ihre Neutralität und ihre Armutsorientierung. Die Vermischung von humanitären und militärischen Mandaten gefährdet sowohl die Zivilbevölkerung als auch die staatliche und nicht-staatliche Entwicklungszusammenarbeit.

Statt sich in militärische Strategien einbinden zu lassen, sollte sich die deutsche Entwicklungspolitik für eine politische Dialog-Lösung des bewaffneten Konflikts in Kolumbien einsetzen.

Oben genannte Organisationen empfehlen Ihnen „zum aktuellen Zeitpunkt von einer Intervention der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des PCIM abzusehen“. Ich schließe mich dieser Forderung an und fordere Sie außerdem auf:

1. Setzen Sie sich dafür ein, dass die deutsche EZ weiterhin zivil bleibt und sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert und nicht sicherheitspolitischen Erwägungen anderer Staaten untergeordnet wird.

2. Setzen Sie sich dafür ein, dass im Rahmen der deutschen EZ nicht militärische und humanitäre Mandate vermischt werden und dass Menschenrechte Priorität behalten.

3. Unterstützen Sie zivile Akteure über partizipative Entwicklungsprojekte im Sinne von nachhaltiger, friedens- und wohlstandsfördernder Entwicklungshilfe.

Mit freundlichen Grüßen