Kiel: Stellungnahme IG Hasenholz zur Änderung des Bebauungsplans Nr. 755

Nutzungsvorschlag Grünfläche Hasenholz
Erhalt der Grünfläche am Hasenholz
• Mehrheit der Anwohner für Erhalt der Fläche (mehr als 80 % der Haushalte, 153 Unterschriften aus 97 Haushalten)
• Während der „Frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung“ sind allein von der IG Hasenholz über 70 Widersprüche an die Stadt Kiel übergeben worden.
• Anwohner wünschen sich eine naturnahe Entwicklung der Grünfläche am Hasenholz

Ausführliche Stellungnahme der Interessengemeinschaft Hasenholz zur geplanten Änderung des Bebauungsplans Nr. 755.
Hintergrundinformationen für den Ortsbeirat und die interessierte Anwohnerschaft anlässlich der Ortsbeiratssitzung OBR Hassee/Vieburg vom 11.01.2011, basierend auf Eingaben der Anwohner an die Stadt im Zuge der ‚Frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung’.
(überarbeitete Fassung 01.02.2011)

Sachstand:
Die Stadt Kiel möchte eine Grünfläche im Hasenholz (Gaarden-Süd/Vieburg, zwischen Holunderbusch und Krummbogen) durch eine B-Planänderung für eine Bebauung erschließen. Seit August 1987 ist diese Fläche rechtsverbindlich als Parkanlage und Spielfläche im Bebauungsplan Nr. 755 festgeschrieben.
Die Verantwortlichen der Stadt Kiel argumentieren mit einem drängenden Bedarf an Wohnbauflächen vor dem Hintergrund einer erwarteten zunehmenden Bevölkerungszahl bzw. bis zum Jahr 2020 prognostizierter zunehmender Haushaltszahlen. Einer Innenentwicklung (Baulückenaktivierung) soll vor der weiteren Erschließung neuer Bauflächen im Außenbereich der Vorzug gegeben werden.
Günstiger Wohnraum soll das Gebiet für junge Familien „attraktiver“ machen, und einer „Überalterung“ der Bevölkerungsstruktur entgegensteuern.

Hierzu möchten wir aus den veröffentlichten Zahlen und Statistiken der Stadt Kiel, bzw. aus den durch sie in Auftrag gegebenen oder herausgegebenen Gutachten und Entwicklungskonzepten zitieren und darlegen, warum eine geplante Bebauung dieser Fläche jeglicher aktueller Konzeption einer integrierten Stadtentwicklung, die sich die Stadt Kiel selbst zum Ziel gesetzt hat, zuwider liefe:
1. Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei der betreffenden Fläche nicht um eine Baulücke handelt. Die Fläche ist als Parkanlage mit Spielfläche im qualifizierten B-Plan Nr. 755 ausgewiesen und wird auch so genutzt.
2. Es sind für die zukünftig zu erwartende Bevölkerungsentwicklung ausreichend Bauflächenpotentiale – auch für eine bevorzugte Innenentwicklung – vorhanden.
3. Die zukünftige Entwicklung der Sozialstruktur der Bevölkerung erfordert vor allem einen verstärkten Mietwohnungsbau. Das geplante Vorhaben widerspricht damit dem
Handlungsschwerpunkt „Schaffung von zusätzlichen nachfragegerechten Wohnungsangeboten“
4. Die Attraktivität der Siedlung für junge Familien kann nur erhalten und gesteigert werden, indem man Freiräume schafft und Spielflächen für Kinder und Jugendliche erhält, und nicht, indem Flächen bebaut und der allgemeinen Nutzung entzogen werden. (Leitziel „Kinder- und familienfreundlichste Stadt werden“)
5. Die Siedlung weist bereits eine sehr ausgewogene Mischung aus Jung und Alt auf. Es gibt faktisch keine ‚Überalterung’
6. Das geplante Vorhaben widerspricht dem Leitziel „Attraktiver Wohnstandort für Senioren/-innen werden“.
7. Eine geplante Bebauung und Versiegelung der Fläche widerspricht dem Freiräumlichen Leitbild Kiel und Umland.
8. Letztlich kann ein Verkauf der letzten öffentlichen Freiflächen als Teil des Kieler ‚Tafelsilbers’ auch nicht zu einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung führen.

Die Punkte im Einzelnen:
Die geplante Bebauung einer städtischen Grünfläche erscheint gerade vor dem Hintergrund der Leit- und Entwicklungsziele, die sich die Stadt Kiel selbst für die Zukunft gesetzt hat, kontraproduktiv. In der Einleitung zum INSEKK 2010 (Integriertes Stadtentwicklungskonzept Kiel, 2010) heißt es: „Die Landeshauptstadt Kiel soll danach eine soziale und kinderfreundliche wie auch kreative Klimaschutzstadt sein. Die Stadtentwicklung ist daher zwingend anzupassen.“ Dieser Leitsatz drückt bereits alles Wesentliche aus, und wir erwarten, dass sich die Stadt auch an diese Vorgaben hält.

1. Bauflächenaktivierung
Die von der geplanten Bebauungsplanänderung betroffene Fläche ist keine Baulücke, sondern laut gültigem B-Plan eine Parkanlage mit Spielfläche. Auch wenn die Stadt die Pflege dieser Fläche vor einigen Jahren eingestellt hat, so hat die Grünfläche doch immer noch eine wichtige Erholungsfunktion für die Anwohner und wird von Kindern als Spiel- und Abenteuerfläche genutzt. Diese Grünfläche wird bei der Suche nach Baulücken städtischerseits mit Industriebrachen, Leerständen und Trümmergrundstücken ohne weitere Differenzierung in einen Topf geworfen (z.B. Alte Feuerwache, Groß-Kielstein, Krim, Pickert-Kaserne, MFG 5, Sanierungsgebiet Hörn, Leerstand Grundstück Krummbogen 82 ehemals ‚Rotkreuz-Haus’, etc.). Das Potential derartiger Flächen (das GEWOS-Gutachten macht einen Bestand von rund 700 Baulücken aus; GEWOS Kurzbericht [im
Folgenden GEWOS] 2007, S.15) sollte durchaus und vorrangig für eine Erschließung zu Wohnzwecken genutzt werden, innerstädtische Grünflächen sollten jedoch als solche erhalten bleiben!
Eine Erschließung des Innenbereiches vor dem Außenbereich, um eine weitere Zersiedelung der Umgebung Kiels zu verhindern, erscheint nachvollziehbar und sinnvoll. Jedoch sollten die potentiellen für solche Vorhaben zu nutzenden Flächen auch genau dem vorgegebenen Anforderungsprofil entsprechen:
„Die Landeshauptstadt Kiel strebt an, unter- und ungenutzte Flächen des Innenbereiches vor Flächen des Außenbereiches vorrangig baulich zu mobilisieren (Flächenrecycling und Ressourcenschutz unter Berücksichtigung der naturräumlichen Gegebenheiten).“ (INSEKK 2010, S. 6)
„Zur Zeit besteht allgemein kein Bedarf an der Ausweisung neuer Wohnbauflächen. Dringend erforderlich ist jedoch die Aktivierung vorhandener Wohnbauflächen im innerstädtischen bzw. innenstadtnahen Bereich (z.B. Alte Feuerwache, Krim, Hörn usw.).“ (INSEKK 2010, S. 76)
Hier sollte der Text bitte genau gelesen werden: Es ist im Entwicklungskonzept die Rede von der Aktivierung vorhandener Wohnbauflächen, also Flächen, die bereits für Bebauung genutzt wurden – wie ja auch die angeführten Beispiele verdeutlichen – jedoch zur Zeit un- oder untergenutzt sind. Bei der Spielfläche am Hasenholz handelt es sich ausdrücklich nicht um eine Fläche dieser Kategorie. Zur Verdeutlichung: Es sollen eben gerade nicht weitere Grünflächen für eine Bebauung neu erschlossen werden (Ressourcenschutz), wie es das geplante Vorhaben vorsieht, sondern es sollen vorhandene ungenutzte Wohnbauflächen, Industriebrachen und verbliebene Trümmergrundstücke für eine
Bebauung aktiviert werden!
Mit einer derartigen Planung „kann das stadtlandschaftsprägende Grün- und Freiflächensystem mit seinen innenstadt- und wohnungsnahen Kleingarten- und Erholungsanlagen weitgehend erhalten bleiben.“ (proaktiv.de ‚Bauen in Kiel’)

2. Bevölkerungsentwicklung und Bedarf an Wohnbauflächen
Hier sollten die Gutachten ebenfalls korrekt interpretiert werden. Es ist in Kiel zur Zeit und bis in die nähere Zukunft kein Engpass bei Wohnbauflächen vorhanden. Es gibt zwar bis 2020 nach dem Kieler Wohnungsmarktkonzept (GEWOS 2007) und nach INSEKK (2010) einen Neubaubedarf, aber der überwiegende Teil davon kann im Bestand gedeckt werden:
„Unter Berücksichtigung der Bevölkerungsprognose und der aktuellen Markt- und Haushaltsentwicklungen wird sich bis zum Jahr 2012 kein nennenswerter Engpass auf dem Wohnungsmarkt ergeben. Ab diesem Zeitpunkt entwickelt sich bis zum Jahr 2020 ein zusätzlicher Neubaubedarf von rund 6.600 Wohneinheiten. Der vom Innenministerium Schleswig-Holstein im Entwurf zum Landesentwicklungsplan vorgelegte Wohnungsneubaubedarf für die Landeshauptstadt Kiel wird sogar mit 9.600 Wohneinheiten taxiert. Darin ist lediglich ein Neubedarf (durch mehr Haushalte) von 1.900 Wohneinheiten enthalten. Der weitere Bedarf von 6.390 Wohneinheiten ist reiner Ersatzbedarf. Dieser Bedarf wird vorrangig im Bestand gedeckt. Zusätzlich wird ein Bedarf von 1.310 Wohneinheiten als Fluktuationsreserve angesetzt.“ (INSEKK 2010, S. 75)
Das bedeutet, es ergibt sich ein Bedarf an Neubauflächen für lediglich 1.900 Einheiten, da der überwiegende Rest im Bestand (d.h. Neubau auf bereits oder vormals genutzten Flächen, Modernisierung, etc.) gedeckt werden kann. Nach anderer Schätzung (NFK Baulandbericht 2010, Drucks.-Nr. 1079/2010) ergibt sich ein Bedarf von etwa 2500 WE basierend auf einem aus dem 10-jährigen Mittel extrapolierten zukünftigen Bauvolumen von 250 WE jährlich.
Demgegenüber stehen Baulandflächen für aktuell 5.000 Einheiten nach INSEKK oder nach anderen Schätzungen (proaktiv.de, ‚Bauen in Kiel’) sogar 6.000 Wohneinheiten:
„Aktuell stehen den Bedarfen rein rechnerisch ausreichend Baulandflächenpotentiale für rund 5.000 Wohneinheiten gegenüber.“ (INSEKK 2010, S. 75 f) Hinzu kommt noch ein Wohnungsleerstand von über 2.200 Wohnungen (längerfristig), der fluktuationsbedingte Wohnungsleerstand (2%, entsprechend über 2.600) nicht mit einberechnet (INSEKK 2010, S. 77). Es bleibt also festzuhalten, dass bis auf absehbare Zeit (2020) kein Engpass auf dem Wohnbaumarkt bestehen wird und daher auch keine zusätzlichen neuen Wohnbauflächen ausgewiesen werden müssen.
Darüber hinaus sollte beachtet werden, dass die Einwohnerzahl in Kiel 1995 bereits schon bei über 242.000 lag, aktuell aber nur bei über 235.000 (Kieler Sozialbericht 2010, S. 13). Der in den letzten Jahren verzeichnete Anstieg ist vor allem auf Zuwächse bei den Studierenden zurückzuführen (Studiengebührenfreiheit in Kiel!). Es ist ungewiss, ob dieser Zuwachs bei den gemeldeten Einwohnern mit Erstwohnungssitz in Kiel überhaupt auch zu einem weiter steigenden Bedarf an Bauflächen führt, da die meisten Personen nach Abschluss des Studiums nicht in der Stadt dauerhaft ansässig werden. GEWOS schreibt dazu: „Zuzüge nach Kiel fanden in den letzten Jahren zu einem erheblichen Teil durch Studierende statt. Wenn es der Stadt Kiel gelingt, diese Haushalte langfristig an Kiel zu binden, besteht auch hier ein Potenzial für einen Bevölkerungsanstieg. Als Starterhaushalte fragen diese Gruppen neben Zimmern in Wohnheimen vor allem günstigen Wohnraum in zentralen bzw. nahe zur Universität bzw. Fachhochschule gelegenen Stadtteilen nach.“ (GEWOS 2007, S. 14)

3. Sozialstruktur der Bevölkerung und „Schaffung von zusätzlichen nachfragegerechten Wohnungsangeboten“
Im aktuellen Sozialbericht findet sich der Hinweis, dass die Einpersonenhaushalte stark zunehmen und aktuell knapp 55% aller Haushalte ausmachen. (Sozialbericht 2010, S. 17).
„Aufgrund der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung ist mit einem weiteren Anstieg der Haushaltszahlen, insbesondere der Einpersonenhaushalte, zu rechnen.“ (INSEKK 2010, S. 13).
„Der Neubau im Geschosswohnungsbau hat in den letzten Jahren deutlich zugunsten des [sic] Ein- und Zweifamilienhäuser nachgelassen. Unter Berücksichtigung der Arbeitsmarkt- und Einkommensentwicklungen der Bevölkerung muss in den nächsten Jahren Mietwohnungsbau wieder stärker in den Fokus genommen werden.“ (Sozialbericht 2010, S. 97)
Speziell für Gaarden-Süd macht das GEWOS-Gutachten zum Kieler Wohnungsmarkt folgende Handlungsempfehlungen: „- Nachfragegerechte Bestandsanpassung im Mietwohnungssegment für die Zielgruppen Senioren und Familien“ (GEWOS, Kieler Wohnungsmarktkonzept, Teil 2, 2007, S. 48)
Das geplante Vorhaben im Hasenholz wird hier also keine bedarfsgerechten neuen Kapazitäten bereitstellen können. Es entspricht somit also nicht der vorrangigen Entwicklungsplanung.

4. Leitziel „Kinder- und familienfreundlichste Stadt werden“
Unsere Siedlung ist gerade wegen ihrer offenen Struktur mit großen Gärten für junge Familien attraktiv. Es gibt jedoch nur (noch) wenige öffentliche Freiflächen. Die Attraktivität kann daher nur erhalten und gesteigert werden, indem man Freiräume schafft und insbesondere bestehende Spielflächen für Kinder und Jugendliche erhält, statt sie zu bebauen. Das GEWOS-Gutachten stellt den Anspruch kinder- und familienfreundlichste Stadt zu werden als eines der vorrangigen Leitziele bzw. sogar als strategisches Oberziel heraus. Dies hat die Stadt auch in ihr Integriertes Stadtentwicklungskonzept übernommen. Da unser Siedlungsgebiet mit Spielplätzen oder anderen Freiflächen, die sich zum Spielen und Toben eignen, nicht gerade reich gesegnet ist, sollten alle bestehenden Flächen – und die Hasenholz-Fläche ist die letzte verbliebene in einem weiten Umkreis – erhalten bleiben!
Man muss hier nur die städtischen Entwicklungsziele zitieren, und sofort wird klar, dass sich eine Bebauung verbietet:
„Viele Stadtteile Kiels bieten gerade in peripherer Lage ein sicheres, naturnahes und damit zumeist auch kinderfreundliches Wohnumfeld. In dicht bebauten innerstädtischen Stadtteilen ist das Wohnumfeld auch wegen des Verkehrsaufkommens für Kinder eher unsicher und oftmals kein wertvoller Erfahrungsraum. Adäquate Freiflächen und Kinderspielplätze sowie baulich erzeugte Verkehrssicherheit tragen jedoch zum kinderfreundlichen Wohnumfeld bei.“ (GEWOS 2007, S. 8) „Um den Bewegungsdrang von Kindern zu fördern, sind ihnen Gelegenheiten zum Spielen im Freien anzubieten, um ihre körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten zu entwickeln. Dazu sind Flächen für Spiele im Freien (Spiel- und Bolzplätze) anzulegen, auszustatten und zu unterhalten.“ (INSEKK 2010, S. 28 f)
„Im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung sind neben den öffentlichen Spielplätzen auch sämtliche Flächen im Wohnumfeld, im Quartier, im Stadtteil und in der Stadt bei
Planungen mit einzubeziehen.“ „Freiraum- und Spielraumplanung sind Grundlage für eine kinder- und familienfreundliche
Stadtentwicklung.“ (INSEKK 2010, S. 29)
Zusätzlich werden als Handlungsschwerpunkte benannt:
“-Erholungs- und Spielflächen quartiersnah bereitstellen
– Kinder, Jugendliche und Familien an Planungsprozessen intensiver beteiligen.“ (INSEKK 2010, S.30) Insbesondere der letzte Punkt sollte stärkere Berücksichtigung finden, denn ein öffentlicher Planungsprozess hat im Vorwege des jetzt eingeleiteten Bauleitplanverfahrens nicht stattgefunden!
Zur Verdeutlichung der aktuellen Spielplatzsituation im Bereich Hassee/Vieburg geben wir hier eine Grafik aus dem aktuellen Spielplatzkataster wieder (Bestandsaufnahme öffentlicher Spielflächen 2009, S. 17). Zu erkennen ist, dass der Spielplatz am Pappelweg/Hasenholz die bestehende Unterversorgung im Gebiet bei weitem nicht ausgleichen kann (es gibt überhaupt nur zwei Spielplätze innerhalb der Siedlung), rot eingezeichnet der planerisch angenommene Einzugsbereich von 300 m. Bolzplätze (blau) liegen kaum in erreichbarer Entfernung und andere Einrichtungen sind nicht vorhanden. Gerade vor diesem Hintergrund sollte die an den Spielplatz grenzende Freifläche als zusätzliches Spielangebot auf jeden Fall erhalten bleiben.

5. Altersstruktur des Wohngebietes
Die Siedlung weist bereits eine sehr ausgewogene Mischung aus Jung und Alt auf. Freiwerdende Häuser werden kontinuierlich durch junge Familien bezogen, so dass ein stetiger Verjüngungsprozess stattfindet. Natürlich findet sich hier nicht der hohe Anteil von Kindern und Jugendlichen, wie er für ein Neubaugebiet anfänglich charakteristisch ist. Aber gerade, vor der Tatsache, dass es sich hier um ein eingewachsenes Gebiet handelt (Häuser aus den 30er Jahren, teilweise älter), verzeichnet die Siedlung einen relativ hohen Anteil an Kindern und Jugendlichen. Ein statistisch erhöhter Anteil an älteren Bewohnern leitet sich aus dem Vorhandensein von mehreren Seniorenheimen im Stadtteil her. Es besteht also keine Notwendigkeit, hier in irgendeiner Weise von Seiten der Stadt Kiel steuernd einzugreifen. Wichtiger als weiteren Wohnraum zu erstellen wäre, die Attraktivität des Wohnumfeldes durch einen entsprechenden Erhalt von Frei- und Erholungsflächen zu steigern (siehe auch folgend). Außerdem stehen im Bereich andere, geeignetere Flächen zur Erweiterung des Wohnraumangebotes zur Verfügung (Krummbogen 82).

6. Leitziel „Attraktiver Wohnstandort für Senioren/-innen werden“.
Das von der Stadt identifizierte Leitziel „Attraktiver Wohnstandort für Senioren/-innen werden“ (GEWOS 2007, S. 10 ff), wird durch eine hier geplante Bebauung nicht unterstützt. Im Gegenteil, es würde eine Fläche für die sogenannte quartiersnahe Erholung wegfallen. Die zur Zeit noch im oberen Bereich der Grünfläche vorhandenen Sitzbänke würden Ihre Funktion vollständig verlieren. Bereits jetzt ist die Situation alles andere als ideal, denn wer sitzt schon gerne an einem Wendehammer. Hier sollte das vorhandene Potential genutzt werden und die Fläche, zumindest in Teilen wieder besser als Erholungsraum nutzbar gemacht werden („Schaffung eines attraktiven Wohnumfeldes für Senioren“
GEWOS 2007, S. 12)

7. Strategisches Ziel „Klimaschutzstadt Kiel“, Freiräumliches Leitbild
Das Leitziel, Kiel zur Klimaschutzstadt zu machen, kann nur bedeuten, dass diese Fläche als Grünfläche erhalten bleiben muss. Hier nennen das Freiräumliche Leitbild Kiel und Umland wie auch das INSEKK gleich mehrere Aspekte, die es zu berücksichtigen gilt. Es sind dies die Komplexgruppen:
– Erholung und Spiel
– Klima
– Biotopschutz
Grundsätzlich soll das bestehende „…Freiraumsystem erhalten bleiben und möglichst nach und nach durch weitere Flächen verstärkt und entwickelt werden. Auch die Verdichtung des Netzes für den Biotopverbund soll … weiter verfolgt werden. Das Freiräumliche Leitbild Kiel und Umland wird bei allen Planungen und Vorhaben der beteiligten Gemeinden berücksichtigt.“ (INSEKK 2010, S. 46)
„Die wichtigsten Freiflächen für die Erholung sind in Kiel relativ gleichmäßig über die Stadt verteilt. …..Der Landschaftsplan stellt aber auch Wohnbereiche dar, die nicht ausreichend mit erholungsrelevanten Grünflächen ausgestattet sind. Diese befinden sich im Bereich Ravensberg, Blücherplatz, Brunswik, im Bereich Vorstadt und Südfriedhof. Kleinere Defizitbereiche sind im Bereich Friedrichsort, Holtenau, Steenbek-Projensdorf, Suchsdorf, Hassee, Gaarden-Süd und Kronsburg….
Zukünftig gilt es, die im Landschaftsplan identifizierten Flächen zur Verbesserung des Wohnumfeldes
und der Freiflächen zu entwickeln.“ (INSEKK 2010, S. 46 f)
„Die Umsetzung des Freiräumlichen Leitbildes dient daher
– zur Funktionserfüllung von Freiräumen als
– nutzbarer Erholungsraum
– Aktionsfläche und sozialer Treffpunkt
– Orientierungspunkte im städtischen Gefüge
– wichtiger Bestandteil des Stadtökosystems und damit gesundheits- und wohlfahrtsfördernd“
(Freiräumliches Leitbild, 2007, S. 7)
Alle diese Aspekte werden oder können von der betroffenen Fläche abgedeckt werden.
So wird insbesondere hervorgehoben:

Aspekt ‚Erholung und Spiel’
„Die Flächen des Freiräumlichen Leitbildes Kiel und Umland sind ein Angebot für die Menschen und Besucher der Region Kiel, sich zu erholen oder auch sich auf grünen Wegen auf Spurensuche zu begeben. Dabei spielen großflächige Landschafts(bild)räume und Kulturlandschaften ebenso eine Rolle wie versteckte Kleinode und Flächen für aktive Erholung und Spiel.“ (Freir. Leitbild, 2007, S. 43)
„Die regionalen Landschaftsbereiche werden durch kleinteiligere Elemente, die aus der kommunalen Landschaftsplanung hervorgehen, verknüpft. Hierzu zählen.
– allgemeine Grün- und Freiflächen (z.B. Parkanlagen, grünbestimmte Plätze, Strand, Friedhof,
Kleingärten, Sport-, Spiel- und Bolzplatz, Freibad, Wildgehege, Seen und Teiche über 500 m2,
Sportboothafen, Naturerlebnisraum, Dorfplatz)
– Plätze, Wegeflächen
– Flächen mit Bedeutung für das Landschaftsbild
– Wald
….Kleinere, auch isoliert liegende Flächen, z.B. für die quartiersbezogene Erholung oder Spielplätze, werden ebenfalls dargestellt, da sie von erheblicher Bedeutung für die Erholung sind.“ (Freir. Leitbild, 2007, S. 45)

Aspekt ‚Schutz des Lokalklimas’ und ‚nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen’
Gemäß INSEKK wird gefordert: „Frühzeitige Berücksichtigung vorhandener/potenzieller Flächen für die Umweltvorsorge und
Biotopverbund“ (INSEKK 2010, S. 49)
„Sparsamer Landschaftsverbrauch bei der zukünftigen Stadtentwicklung“ (INSEKK 2010, S. 50)
Zur Abmilderung bioklimatischer Belastungen sind u.a. folgende Maßnahmen vorgesehen:
„- Bereiche mit Ausgleichsfunktion (Parkanlagen, Waldflächen, Wasserflächen, landwirtschaftliche
Nutzflächen) sind zu erhalten. Luftleitbahnen dürfen nicht verbaut werden
– Entsiegelungs- und Begrünungsmaßnahmen….
– Erhaltung größerer Parkflächen und des Grüngürtels im Übergangsbereich von freier Landschaft
zur Stadt“ (INSEKK 2010, S. 42)

Aspekt ‚Biotopschutz’
Ebenso wie für die Erholung kommt der Fläche eine Bedeutung im Natur-, Landschafts- und Biotopschutz (Biotopverbundsystem) zu – die besagte Fläche liegt zwischen dem Landschaftsschutzgebiet „Drachenseeniederung“ (LSG Drachensee, Russee und Umgebung, seit 2008) und dem geplanten Schutzgebiet „Vieburger Gehölze, Meimersdorfer Moor und Umgebung“. Die Fläche nimmt damit an dieser Stelle eine wichtige Trittsteinfunktion ein. Außerdem ist das Gebiet nicht isoliert zu sehen, sondern steht auch über die angrenzenden Gärten mit ihren durchlässigen Begrenzungen sowie über die wassergebundenen Wege mit den sich anschließenden großräumigeren Grünzügen in Verbindung.
„Im Themenplan Biotopverbund sind außerdem kleinere Flächen, die zum Teil isoliert liegen, dargestellt. Diese stehen zunächst nicht im Zusammenhang mit dem Verbundsystem, wurden aber von den Gemeinden als bedeutsam für den Biotopverbund angegeben. Sie sollten als Trittsteine potentieller Ergänzungen im Verbundsystem gesehen und behandelt werden.“ (Freir. Leitbild, 2007, S.14)
Regelmäßige Wanderbewegungen von Amphibien durch unsere angrenzenden Gärten in das und aus dem Gebiet, das Vorkommen einer Vielzahl von Singvogelarten, sei es brütend oder zur Nahrungssuche (darunter seltene und teilweise in Bestand bedrohte Arten wie Grün-, und Schwarzspecht, Gartenrotschwanz, Trauerschnäpper, diverse Grasmückenarten, etc.), Fledermäuse, Igel und andere Kleinsäuger bis hin zu einer großen Bandbreite an Insekten zeugen von der hohen ökologischen Qualität der Fläche.
Sollte die Stadt tatsächlich die B-Planänderung trotz aller entgegenstehender Fakten vorantreiben wollen, so wäre hier eine eingehende gutachterliche Untersuchung (Kartierung) inklusive Umweltbericht (gem. § 2 Abs. 4 BauGB) dringend angezeigt. Unter Berücksichtigung all dieser genannten Aspekte des Freiräumlichen Leitbildes muss die Fläche
konsequenterweise erhalten bleiben.

8. Haushaltskonsolidierung
Die gegenwärtige desolate Haushaltslage der Landeshauptstadt ist bekannt. Eine solide Haushaltskonsolidierung sollte auf Nachhaltigkeit ausgelegt sein. D.h. die Einnahmen sollten nicht durch den Verkauf/die Mobilisierung von Vermögenswerten kurzfristig und einmalig erhöht werden, sondern hier sollte die Politik durch operative Maßnahmen für eine positive Haushaltsbilanz sorgen. Dies kann unter anderem auch dadurch gelingen, dass man die Attraktivität des Wohnstandortes Kiel erhöht, wie oben ausführlich dargelegt. Diese Notwendigkeit scheint ja durchaus auch auf Seiten der Stadt erkannt worden zu sein, wie man dem aktuellen Stadtentwicklungskonzept (INSEKK 2010) entnehmen kann. Jetzt heißt es nur, aus den gewonnenen Erkenntnissen auch die richtigen Schlüsse und Entwicklungsmaßnahmen abzuleiten. Eine Politik der ‚aggressiven Baulückenmobilisierung’ kann hier nicht zielführend sein, wenn sie die Belange der im Umfeld betroffenen Bürger außen vor lässt.

Konzept der zukünftigen Entwicklung und Nutzung der Fläche am Hasenholz

Wie der Stadt bzw. dem Bauausschuss mittlerweile bekannt ist, hat sich ein großer Teil der Anwohner gegen eine Bebauung der Fläche ausgesprochen.
In einer im April sofort nach Bekanntwerden der Pläne durchgeführten Unterschriftenaktion (Schreiben der IG Hasenholz an Bürgermeister Todeskino vom 03.05.2010), haben sich deutlich mehr als 80 Prozent der im Umfeld betroffenen Haushalte für einen Erhalt der Grünfläche als Park- und Spielfläche ausgesprochen (97 Haushalte/153 Unterschriften, im Bereich Hasenholz, Holunderbusch, Krummbogen und Pappelweg). Hinzu kommt ein starkes Interesse von Seiten der Kindergärten sowie auch seitens einiger Tagesmütter, diese Fläche zu erhalten, die ja in engem räumlichem Zusammenhang mit dem angrenzenden Kinderspielplatz steht. Leider blieb eine Ortsbegehung im September 2010 mit Vertretern des Ortsbeirates, des Bauausschusses der Stadt sowie des Dezernenten für Stadtentwicklung und Umwelt ohne Ergebnis. Vor dem jetzt eingeleiteten Bauleitplanverfahren wurde den Anwohnern keine Gelegenheit mehr zur Stellungnahme und zur Präsentation eigener Entwicklungsvorschläge gegeben, wie dies von Seiten der Anwohner gewünscht war (siehe dazu als positives Beispiel die Bürger- und Kinderbeteiligung bei der Umgestaltung des Tilsiter Platzes in Wellingdorf).

Wir Anwohner sprechen uns für eine naturnahe Entwicklung der Fläche aus (z.B. als Streuobstwiese mit Trockenrasenanteilen, unter Einbeziehung des vorhandenen alten Baumbestandes), um sie wieder für alle nutzbar zu machen. Sowohl als Spielfläche für kleinere Kinder und Kinder im schulpflichtigen Alter, wie auch als öffentlicher Begegnungsraum für ältere Anwohner, und insbesondere auch z.B. für Bewohner aus den nahegelegenen Seniorenheimen, die diese fußläufig und barrierefrei gut zu erreichende kleine Parkanlage als Erholungsraum nutzen könnten (siehe Anlage). Das Vieburger Gehölz ist für diese Personengruppen, sowohl für kleinere Kinder, nicht zuletzt auch wegen der
ausgedehnten Hundeauslaufflächen, ebenso wie für ältere, unter Umständen in der Beweglichkeit beeinträchtigte Bürger nicht nutzbar.

Ein großer Teil der Anwohner ist gerne bereit, bei der Entwicklung der Fläche konstruktiv mitzuarbeiten und sich hier – sofern von Stadt und Grünflächenamt gewünscht – z.B. auf Basis von Patenschaften in die Betreuung der Fläche mit einzubringen. Viele Nachbarn können sich auch vorstellen, durch Spenden (Pflanzaktionen, Bänke, Anlage von Ruheecken, Nistkästen, Insektenhotels, u.a.) oder auch mit ihrer Arbeitskraft zur Wiederherstellung und positiven Entwicklung der Fläche beizutragen. Dabei möchte die Interessengemeinschaft Hasenholz auch mit den ortsansässigen Kindergärten, Tagesmüttern sowie den Seniorenheimen eng zusammenarbeiten, die ein starkes Interesse an der Nutzung bekundet haben.
Die Stadt Kiel sollte diese einmalige Chance erkennen, dass hier generationsübergreifend etwas für die positive Stadtentwicklung getan werden kann und im Interesse der Bürger auch getan werden sollte.

Zitierte Quellen:
– Integriertes Stadtentwicklungskonzept Kiel (INSEKK). Landeshauptstadt Kiel, Stadtplanungsamt,
2010, Stand 31.08.2010.
– Kieler Wohnungsmarktkonzept, Kurzbericht. GEWOS, Institut für Stadt-, Regional- und
Wohnungsforschung GmbH, Hamburg, 21 pp, 2007 (zitiert als GEWOS 2007)
– Kieler Wohnungsmarktkonzept, Teil 2, Bericht Mai 2007. GEWOS, Institut für Stadt-, Regional- und
Wohnungsforschung GmbH, Hamburg, 120 pp, 2007
– Bauen in Kiel, proaktiv.de, www.proaktiv.de/111.html , bzw.
Planen Bauen Finanzieren, Landeshauptstadt Kiel, inixmedia, Klausdorf/Kiel, 64 pp, 4. Auflage,
Ausgabe 2007/2008
– Sozialbericht 2010. Landeshauptstadt Kiel, Amt für Familie und Soziales, 2010
– Freiräumliches Leitbild Kiel und Umland. Landeshauptstadt Kiel, Grünflächenamt, 2007
– Bestandsaufnahme öffentlicher Spielflächen. Landeshauptstadt Kiel, Amt für Schule, Kinder- und
Jugendeinrichtungen, 2009
– Anlage: Entwurfsskizze für eine mögliche Nutzung der Grünfläche als Spiel-, Begegnungs- und
Erholungsfläche für Jung und Alt (unter Berücksichtigung des Baumbestandes sowie der
Bodentopografie)
Spielfläche, offener
Spielfläche, dichter
Begegnungsfläche
Begegnungsfläche/Obstwiese
Bereiche gehen fließend ineinander über, keine starre Abgrenzung

Anmerkung: Die erwähnten Grafiken und Bilder sind in dieser Textfassung nicht enthalten.