Anti-Atom-Protest in Gorleben – „Wir sind wieder da!“

Nachfolgend wird eine geringfügig modifizierte Pressemitteilung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. dokumentiert.

Bundesweite Anti-Atom-Demonstration, 8. November 2008, Gorleben
Atomkraftwerke stilllegen, Castor stoppen, Gorleben vermASSEln – yes, we can!

Start- und Zielblock – diese Begriffe musste die Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) Lüchow- Dannenberg kreieren. Der Ansturm auf die Anti- Atom-Demonstration in Gorleben nahm Ausmaße wie zuletzt im Jahr 2001 ein, als mehr als 10.000 Menschen gegen die Atomtransporte in das Elbdorf und für den Atomausstieg auf die Straße gingen. Über 15000 Menschen demonstrierten unterstützt von ca. 400 Traktoren in Gorleben.

Das Sammeln zur Demonstration wurde flugs zu einer ersten Kundgebung umfunktioniert. Busse aus allen Teilen Deutschlands, internationale Gäste, rollende Traktoren, Sambagruppen machten sich auf zum Zielblock an den Atomanlagen in Gorleben. Erstmalig ist auf einer Anti-Atom-Kundgebung die IG Metall prominent vertreten. Das Engagement der Kolleginnen und Kollegen gegen den Schacht Konrad bei Salzgitter führt sie nun auch nach Gorleben. Ob Martin Schulz, Bauer aus dem Wendland, oder der bekannte Schriftsteller Andreas Meier, Gewerkschafter und Bürgerinitiativler – ein demonstrativer Schulterschluss war kennzeichnend für die Demonstration. Die Demo ist ein Volksfest, Clowns, Stelzentheater, ein Rockkonzert der Gruppe Madsen. Grüne und Linken-Prominenz, viele junge Menschen und der harte Kern aus dem Wendland, der nun seit 31 Jahren immer wieder die Strecke abläuft. Wolfgang Ehmke, der für die Bürgerinitiative die Kundgebung moderiert, fasst zusammen: Man ist sich einig in dem Ablehnung der Atomkraft. Das Atommülldesaster in der AsseII und Morsleben kommt einem rasanten Glaubwürdigkeitsverlust beteiligter Institutionen wie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe gleich, die für Salz als Endlagerformation und Gorleben plädieren. Solange Atomkraftwerke betrieben und Gorleben im Pool möglicher Endlagerstandorte bleibt, gäbe es starre Fronten, nur dass sich das Kräfteverhältnis zugunsten der Atomkraftgegner verschiebe.

Hartmut Meine, Bezirksleiter der IG Metall der Bezirke Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, geißelte die Atomkraft als veraltete, rückwärtsgewandte Technologie. Es reiche nicht aus, sich gegen die Atommülldeponien zu wehren. Den Energiekonzernen schrieb er ins Stammbuch: „Ich rufe den Herren in den Chefetagen zu, zieht euch warm an, wenn die Anti-Atomkraftbewegung und die Gewerkschaften gemeinsam handeln, dann, meine Herren, wird es verdammt ungemütlich für euch.“ Meine plädierte für den Einsatz regenerativer Energien und mehr Energieeffizienz und hob die Pionierleistungen von Ingenieuren und Metallarbeiterinnen und -arbeitern bei der Entwicklung und Produktion der Zukunftstechnologien hervor. Zugleich beklagte der IG Metaller, dass bei einigen Betrieben der Windenergie- und der Solarbranche Tarifdumping betrieben würde und die Wahl von Betriebsräten hintertrieben würde. Apropos Wahlen: 2009 im Wahljahr dürfe Schwarz-Gelb keine Chance bekommen, sagte Meine in Anspielung auf die schwarz-gelben Atommüllfässer.

Die Umweltverbände unterstützen die Forderungen der Gorleben-GegnerInnen unmissverständlich. Für den BUND erinnerte Renate Backhaus an die Kinderkrebsstudie. Die signifikante Erhöhung von Kinderkrebs in der Umgebung kerntechnischer Anlagen wurde von der Strahlenschutzkommisssion Minister Gabriels schön geredet. Eine 2008 veröffentliche Qualitätsprüfung der Studie bewertete den kausalen Zusammenhang zwischen AKW- Studie neu. „Danach können die radioaktiven Emissionen aus den Atomanlagen als Erklärung für das erhöhte Krebsrisiko bei Säuglingen und Kleinkindern in ihrer Nähe nicht ausgeschlossen werden. Sie stellen im Gegenteil die bislang plausibelste Erklärung dar.“ Backhaus plädiert für den Atomausstieg von unten: Protest auf der Straße und den Anbieterwechsel, weg vom Atom- und hin zum Ökostrom.

Anti-Atom-Protest und Klimapolitik müssen Hand in Hand gehen. Es sei höchste Zeit einen Zustand zu überwinden, dass an verschiedenen Orten gegen Atomkraft und gegen neue Kohlekraftwerke demonstriert würde, mahnte Tadzio Müller an, Aktivist und Mitorganisator des Hamburger Klima- und antirassistischen Camps. Die Macht der Konzerne müsse angegriffen werden, sozialer und ökologischer Wandel komme von unten. Es sei Zeit für ein ganz anderes Klima, ein politisches: „Auch hier geht es darum, zusammen eine ungehorsame Bewegung aufzubauen, die die Macht der Konzerne bricht“.

Kerstin Rudek, BI -Vorsitzende, erklärte:“ Es ist eine Erfolgsstory, was wir alle hier in Gorleben immer wieder auf die Beine stellen. Und ich würde mich freuen, wenn von den x- tausend Menschen, die heute hier sind, ganz viele bleiben über die nächsten Tage. Aus zwei Gründen. Jede und Jeder trägt zu einer größeren Öffentlichkeit bei. Wer selbst bei einem Castortransport dabei ist, kann erleben, und berichten, was es heißt, einer Übermacht von 17.000 Beamten und Beamtinnen ausgesetzt zu sein, die nur ein Ziel haben: den Transport durchzubringen. Alles andere bleibt auf der Strecke: Demokratie, Meinungsfreiheit, Menschenrechte. Oft auch die Menschlichkeit. Das ist etwas, was wir uns bewahrt haben. Unsere Menschlichkeit. Wenn mir zum Schreien oder zum Heulen ist, dann erinnere ich mich an den Satz: „Es wird ein Lächeln sein das sie besiegt.“