Seerosen – Familienbeschreibung

Seerosen: Familienbeschreibung

Autor: Gregor Dietrich

Die Seerosen der Gattung Nymphaea fehlen wohl in kaum einem Gartenteich. Noch vor zwei Jahrzehnten waren Seerosen und Goldfische die vorherrschenden Gründe sich ein Kleingewässer im Garten anzulegen. Doch auch die Gartenteichwelle der ´80er ließ ihnen in „naturnahen“ Teichen ihren Platz. Mit ca. 50 Arten ist Nymphaea die größte der sechs heute zur Familie der Seerosengewächse (Nymphaeàceae) gezählten Gattungen. Die anderen sind Teichrose (Nuphar) mit ca. 15-20 Arten, Barclaya (4 Arten), Victoria (2 Arten), Euryale ferox und Ondinea purpurea. Aufgrund genetischer Daten wird die Familie Cambombaceae mit den Gattungen Brasenia (1 Art) Cabomba (5 Arten, 3 Unterarten) oft wieder in die Famile einbezogen, die Lotosblumen (Nelumbo) dagegen sind nicht mit den Seerosen verwandt.

Seerosen haben als Kultur- und Nutzpflanzen lange Tradition. Die Ägyptische Lotosblume (N. coerulea, nicht N. lotus) wurde schon 2000 v. Chr. in den ägyptischen Tempelgärten gezogen und – oft zusammen mit Ölbaum, Weide und Papyrus – als Grabschmuck verwendet. Die Knollen der Ägyptischen Lotosblume sowie die mittelamerikanischen N. ampla wurden von frühen Hochkulturen als psychoaktive Droge benutzt. Auch in China und Japan wurden schon damals Seerosen kultiviert. Im Mittelalter galten die frischen Rhizome unserer heimischen Weißen Seerose (N. alba) als Aphrodisiacum. Die stärkereichen Rhizome wurden früher auch getrocknet und zu Mehl verarbeitet, die Wurzeln wurden als Riemen verwendet. Als Totenblume wurde sie auch für Kränze verwendet. Die sich normalerweise täglich öffnenden und schließenden Blüten bleiben 5 – 6 Tage offen und frisch, wenn sie einer Wärmebehandlung bei 52-59 °C unterzogen worden sind. In Europa begann das gärtnerische Bearbeitung der Seerosen erst im vorigen Jahrhundert nach der Entdeckung der Victoria amazonica (syn. V. regia) durch Sir Robert Schomburgk 1837. Im Jahre 1849 kamen die ersten Samen nach Kew. Diese Pflanze erweckte das Interesse der Gärtner an dieser Verwandtschaftsgruppe, und so wurden die bunten tropischen Seerosen für Glashäuser populär. Im Jahr 1851 zog Joseph Paxton die erste Nymphaea – Hybride, die rote, nachtblühende `Devoniensis´ . Damit war der Grundstein für eine florierende Züchtungsarbeit gelegt. Von der Möglichkeit der Kreuzung wurde der Franzose Joseph Bory Latour-Marliac inspiriert, teilweise durch Einkreuzung tropischer Arten, Farbe in die winterharten Seerosen zu bringen, denn alle Arten der kälteren Gebiete unserer Erde blühen weiß. Nur seltene Varietäten dieser Arten sind mehr oder weniger farbig. Marliac begann seine Experimente in den 80ern des vorigen Jahrhunderts mit den Varietäten von N. alba sowie mit der duftenden N. odorata var. rosea und der gelbblühenden N. mexicana. Bis zu seinem Tod 1911 zog er mehr als 70 Sorten. Das war der Durchbruch für die bis dahin nicht so beliebten winterharten Seerosen. Einige der Nymphaea-Marliacea-Hybriden sind bis heute wichtig. In den USA arbeiteten W. B. Shaw und seine Tochter Helen Fowler auf Basis nordamerikanischer Arten (N. odorata, N. tuberosa). In den späten 1880ern brachte E. D. Sturtevant japanische Sorten in die USA. Da Seerosen hauptsächlich für Park- und Schloßanlagen benutzt wurden, spielte die Größe der Sorten eine Untergeordnete Rolle. Marliacs Schwiegersohn Laydeker züchtete auf Basis der kleineren Sorten Marliacs viele kleinere farbkräftige Sorten, die sich gut für Gartenteiche eignen.

Die heimische N. alba kommt in fast ganz Europa und vereinzelt in NW-Afrika, Palästina und im Kaukasus vor. Sie ist selbstbefruchtend (autogam) und daher sehr formenreich. Die Weiße Seerose ist in Österreich verbreitet, aber durch Gewässerverschmutzung und -vernichtung gefährdet. Im Donauraum jedoch ist die Entwicklung gegenläufig: Seerosen vertragen im Gegensatz zu Teichrosen kein strömendes Wasser und keinen stark schwankenden Wasserstand und fehlen daher in Auen. Durch Kraftwerksbau und Abdämmung wurde die Audynamik jedoch zerstört, und die Seerosen konnten eindringen. Wo sie auftreten ist die „Au“ keine Au mehr. Im Wiener Raum (Lobau) sind sie meist Gartenflüchtlinge. Hier tritt häufig die kleinere, aus den Voralpen-Moorseen stammende N. alba var. minor auf, die früher häufig gärtnerisch verwendet wurde. Sie vermischt sich hier aber mit der Tieflandform. In Südschweden (v.a. Fayer-See) wächst N. alba var. rosea mit roten Blüten. Sie war für die Züchtung wichtig, wird aber nicht mehr kultiviert. Die Art wird durch Selbstaussaat lästig, darum welke Blüten (Durchmesser 8 – 12 cm) immer entfernen!

Die zweite heimische Seerose ist die bei uns fast ausgestorbene N. candida, die Glänzende Seerose. Ihr Areal hat in den Ostalpen seine südwestliche Grenze und reicht bis weit nach Sibirien. In Österreich ist sie auf die Alpen beschränkt. Sie ist selten in Kultur, obwohl sie auch für kleine Teiche und höhere (kältere) Lagen geeignet ist. Die Blüten sind weiß und 6 – 8 cm im Durchmesser. Manchmal sind die Kronblätter an der Außenseite rötlich geädert. Im Gegensatz zu N. alba wird sie derzeit nicht gehandelt. Ich hatte das Glück, heuer Samen aus dem botanischen Garten in Tübingen zu bekommen, die gut keimen.

Die kleinste europäische Art ist die bis 5 cm Blütendurchmesser erreichende, zirkumpolar (d.h. um den ganzen Polarkreis) verbreitete N. tetragona. Sie ist in unserem Klima kurzlebig und muß immer wieder aus Samen nachgezogen werden. Im Handel ist unter diesem Namen N. x pygmaea (Syn. N. pygmaea `Alba´), eine auch in der Natur auftretende Hybride aus N. tetragona x N. odorata var. minor erhältlich. N. x pygmaea `Rubra´, eine rotblütige Form, ist möglicherweise auch eine Naturhybride. N. `Helvola´ wird ihrer geringen Größe wegen auch als N. pygmaea bezeichnet, ist aber eine künstliche Hybride, die Marliac aus der Kreuzung von N. tetragona x N. mexicana erzielte.

N. odorata, die Duftende Seerose, ist die häufigste nordamerikanische Vertreterin der Gattung. Die angenehm duftenden weißen Blüten haben einen Durchmesser von 10 cm. Sie wuchert stark und eignet sich daher nur für große Teiche. N. odorata `Alba´ ist eine besonders schöne Ausleseform der Art. Für Gartenteiche geeignet ist die Zwergform N. odorata var. minor. Die sehr schöne hellrosa N. o. var. rosea von der NO – Küste der USA ist für nicht zu kleine Gartenteiche durchaus verwendbar. Sie sät sich leider sehr stark selbst aus. Die Hybriden `Sulphurea´ und `Sulphurea Grandiflora´ sind durch Einkreuzung der gelbblütigen subtropischen N. mexicana (Syn. N. flava) entstanden und gehören folglich nicht, wie in den Katalogen oft angeführt, zu dieser Art.
Die zweite Nordamerikanerin, die ebenfalls duftende Knollige Seerose, N. tuberosa, wuchert stark und ist meist in der var. rosea in Kultur. Die Hybriden `Richardsonii´ und `Gladstoniana´ werden oft unter N. tuberosa verkauft.

Nymphaea-Hybriden gibt es zahlreiche, sodass hier nur die handelsüblichen Sorten sowie einzelne Besonderheiten beschrieben werden können.

`Attraction´ ist eine rotblühende Sorte nach dem Aufblühen mit feinen weißen Punkten auf den Kronblättern, die aber nachdunkeln. Gut für Parkanlagen, da sie bezüglich Wassertiefe sehr anpassungsfähig ist, wegen ihrer Ausdehnung aber zu groß für den durchschnittlichen Gartenteich.
`Charles de Meurville´ (Marliac 1930) ist eine wunderbare Sorte mit vielen Vorteilen: Die sehr großen pflaumenroten Blüten sind die ersten im Seerosenteich. Die Sorte ist extrem reichblütig. Leider hat sie auch gravierende Nachteile. Ihre Blätter sind sehr groß und die Pflanze wuchert auch stark. Für große Anlagen ist sie aber sehr zu empfehlen.
`Daubeniana´ (Dauben, BRD, 1863) ist die einzige hin und wieder gehandelte blaue Seerose für den Teich. Wie alle blauen Sorten ist sie nicht frosthart. Im Sommer braucht sie den wärmsten Platz im flachen Wasser, im Winter steht sie im nassen Topf bei ca. 5 – 15°C an einem hellen Ort. Diese Seerose vermehrt sich durch Kindel, die aus den Blättern wachsen.
`Ellisiana´ (Marliac 1896) ist eine schöne rote Sorte, die auch für sehr kleine Teiche geeignet ist.
`Escarboucle´ (Marliac 1909) ist weinrot, duftend, groß- und reichblütig. Sie hat einen immensen Platzanspruch.
Zu den Klassikern gehört `Froebeli´ (Froebel, CH), eine duftende rote Sorte die bis in den Herbst hinein blüht. Sie ist auch für kleine Teiche geeignet.
`Gladstoniana´ (Richardson, USA, 1897) und die österreichische Züchtung `Pöstlingberg´ sind nahezu ident, `Richardsonii´ (Richardson) ist gefülltblühend. Diese herrlichen, duftenden, weiß- und riesenblütigen Sorten sind leider nur für sehr große Anlagen geeignet. Ihre Blätter können einen Durchmesser von fast einem halben Meter erreichen!
`Helvola´ (`Pygmaea Helvola´) (Marliac 1879) ist eine schwefelgelbe Zwergsorte mit langer Blütezeit. Bei frostfreier Überwinterung blüht sie besonders reich. Dazu wird das Pflanzgefäß nach dem Absterben des Seerosenlaubes aus dem Wasser geholt und bei 1 – 5 °C außerhalb des Wassers, aber bei feucht gehaltenem Substrat aufbewahrt. Sie blüht auch in nährstoffarmem Substrat. Das dunkel gefleckte Laub ist sehr zierend.
`Indiana´ (Marliac 1912) gehört zu den farblich interessantesten Sorten. Ihre Blüten sind anfangs pfirsichfarben und werden kräftig orange. Diese auch für kleinere Teiche geeignete reichblühende Seerose gehört zu meinen persönlichen Lieblingssorten.
`James Brydon´ (Dreers Nurseries 1899) ist eine sehr anpassungsfähige Sorte die auch etwas Schatten toleriert. Die äußeren Kronblätter der schön geformten Blüten sind tiefrosa, die inneren kräftig karminrot. Diese reichblütige Seerose erhielt 1906 einen Award of Merit und gehört noch immer zu den besten roten Sorten.
`Laydekeri Lilacea´ (Laydeker) trägt nachdunkelnd rosafärbige Blüten die duften. Sie ist eine populäre Sorte für kleine Teiche.
`Marliacea Albida´ (Marliac 1880) ist die häufigste weiße Sorte im Angebot. Die jungen Blüten sind blaßrosa angehaucht. Wegen des starken Wachstums ist sie nur für größere Gartenteiche geeignet.
`Marliacea Chromatella´ (Marliac 1887) gehört ebenfalls zu den größeren Seerosen, ist aber sehr anpassungsfähig. Sie blüht hellgelb und ist im Gegensatz zu den anderen gelben Sorten sehr frosthart. Sie ist schattentolerant und blüht von Juni bis Oktober sehr reich. Auch die gefleckten Blätter sind sehr attraktiv.
`Marliacea Rosea´ (Marliac 1879) war Marliacs erste farbige Hybride. Ähnlich ist `Marliacea Carnea´ (Marliac 1887), meine erste Seerose, die ich inzwischen loswerden konnte. Beide Sorten sind reichblütige Wucherer für große Teiche. Die Blütenfarbe ist enttäuschend, mehr weiß als rosa. Nur die Seitentriebe alter Pflanzen tragen schöne rosa, aber kleinere Blüten.
Die riesigen Blüten von `Masaniello´ (Marliac 1908) sind anfangs rosa und werden im Verblühen karminrot. Sie duften, erscheinen reichlich und auch noch an leicht beschatteten Stellen. Eine sehr gute Sorte für nicht zu kleine Gartenteiche.
`Mme. Wilfron Gonnêre´ (Marliac) gehört zu den wenigen gefüllten Seerosen-Hybriden. Die Blüten sind hellrosa.
`Rose Arey´ (H. Fowler 1913) ist eine hervorragende rosa Sorte mit leicht duftenden sternförmigen großen Blüten bei geringem Flächenbedarf. Die Sorte ist bezüglich der Wassertiefe sehr anpassungsfähig und reichblütig bei langer Blütezeit. 1937 erhielt sie einen Award of Merit und ist auch eine meiner Lieblingssorten. Leider ist sie etwas empfindlich gegen die zum Glück seltene Seerosenfäule.
Für die pfirsichrosa `Rosennymphe´(Junge, BRD) gilt dasselbe wie für `Gladstoniana´.
`Sirius´ (Marliac 1913) ist eine der dunkelsten rotblumigen Sorten. Sie ist auch für kleinere Teiche geeignet.
(„odorata“) `Sulphurea´ (Marliac 1879) und `Sulphurea Grandiflora´ (Marliac 1888): Die zweite Sorte ist eine optische Verbesserung der ersten, aber blühfauler. Beide benötigen einen vollsonnigen Standort und ihre sternförmigen schwefelgelben Blüten stehen an Stengeln die über die Wasseroberfläche hinausragen. `Sulphurea´ liebt durchaus tiefes Wasser, ihre großblütigere Schwester blüht nur im seichten, sonnenerwärmten Wasser oder in geheitzten Becken befriedigend. Das Laub beider Sorten ist dunkel gefleckt.
Auch bei den Seerosen gibt es eine Sorte mit variegaten Blättern: `Arc-en-ciel´ hat rosa bis weiße Flecken. die Blüten sind weiß. Diese für kleine Teiche geeignete Seerose ist ebenso selten erhältlich wie die traumhafte `Gloire du Temple sur Lot´ (Marliac 1913). Sie erinnert entfernt an eine Pompon-Chrysantheme. Die jungen Blüten sind bleichrosa, alte strahlend weiß. Leider blühen erst ältere Stöcke reicher.

Gepflanzt werden Seerosen entweder von Mai bis Juli oder ab Mitte September bis vor dem Zufrieren des Teiches. Bei Frühjahres-/Sommerpflanzung muß der Wasserspiegel schrittweise erhöht oder die Pflanzgefäße langsam in tieferes Wasser gestellt werden, damit die Seerosen im Wachstum mithalten können. Bei Herbstpflanzung können die Pflanzen sofort in tieferes Wasser gebracht werden.
Seerosen wollen nährstoffreichen Boden.

Trotzdem: Im Teich nie Düngen! Das Seerosen Mangel leiden, passiert höchstens in neuen Teichen. Sonst besteht im Teich eher das Problem überschüssige Nährstoffe loszuwerden. Im Gegensatz zu anderen Teichpflanzen können Seerosen aber in normale Gartenerde gesetzt werden. Sie kann sogar als Startdüngung etwas Kompost enthalten. Die Pflanzerde muß mit Sand oder Schotter abgedeckt werden, damit es zu keinen Verschwemmungen kommt. Ist das Wasser zu nährstoffreich, so veralgt es und die Seerosen leiden darunter. Mit Algenbekämpfungsmitteln wird das Problem nicht gelöst, sondern das Gleichgewicht gestört und der Teich zum Gelsenbrutplatz. Ob Seerosen in Körbe oder Töpfe gesetzt oder ausgepflanzt werden, ist Geschmackssache: In Körben oder Töpfen können sie in Zaum gehalten werden, blühen aber meist schwächer. Ausgepflanzt sind sie kaum unter Kontrolle zu halten und wachsen so stark es genetische Konstitution und ökologische Faktoren erlauben. Getopfte Pflanzen müssen regelmäßig umgetopft oder aus dem Topf/Korb wachsende Rhizome abgstochen werden, sonst kommt das einem Auspflanzen gleich. Generell sollte so geplant werden, daß mindestens 1/3 der Wasserfläche frei bleiben. Anderenfalls wird der Teich unschön, der Gasaustausch zwischen Luft und Wasser gestört und den Wasserpflanzen zuviel Licht weggenommen. Sauerstoffarmut kann dann unangenehme Folgen haben.