Gehölze – Akazien und Mimosen

Von Mimosen und Akazien

Autor: Gregor Dietrich
Oft hört man Klagen über Umbenennungen der Pflanzen durch die Wissenschaft. Doch auch bei den deutschen Namen herrscht nicht selten eine gleichsam babylonische Sprachverwirrung, die oft genug zu Fehlkäufen und falscher Pflege führt. Widmen wir uns heute einer Pflanzengruppe, deren reizbare Beweglichkeit sprichwörtlich ist.
Das Glashaus des Institutes für Pflanzenphysiologie der Universität Wien war fertiggestellt und hatte seinen Betrieb aufgenommen. Noch einmal besichtigen die Architekten stolz ihr Werk und lassen sich von den Professoren führen. Der Weg führt vorbei an Mimosen. Die Berührung der Pflanzen verursacht Erstaunen: Unglaublich! Man könnt glauben das Zeug lebt.
Diese nette Anektote erzählte Prof. Karl Burian gerne in seinen Vorlesungen. Und wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden. Jedenfalls wurde die Pflanze von ihm als Architektenkräutl bezeichnet.

Mimosen

Echte und …

Die Schamhafte Sinnpflanze (Mimosa pudica) ist der bekannteste Vertreter ihrer Gattung. Es handelt sich um einen niedrigen Halbstrauch, der ursprünglich aus Brasilien stammt. Heute wächst er in allen tropischen Regionen der Welt als Unkraut, sowohl als Hackfruchtbeikraut (Maniok-Kulturen, etc.) als auch als Ruderalpflanze (Müllhalden, etc.). Schon drei Monate nach der Keimung kann sie ihre rosa Blütenbällchen zeigen. Samen werden reichlich gebildet.

Die doppelt gefiederten Blätter klappen bei Berührung binnen Sekunden nach unten: Von der Berührungsstelle ausgehend klappen schön der Reihe nach die Blattfiedern zusammen, wird die Spreitenbasis erreicht, so klappt diese ebenfalls etwas nach unten, schließlich breitet sich der Reiz zum Battstielansatz aus – hier ist das größte Gelenk und eine rasche Abwärtsbewegung des gesamten Blattes erfolgt. War der Reiz stark genug, so beginnt das nächste Blatt mit der Bewegung beim Blattstiel, bis von unten nach oben die Blattfiedern folgen. Doch das ist meist graue Theorie, denn üblicherweise hat das erste Blatt bei seiner Abwärtsbewegung das nächste schon berührt und das Spiel beginnt gleichzeitig schon bei den Fiedern des zweiten Blattes. Die Reizleitung erfolgt chemisch. Je nach Stärke der Berührung wird mehr oder weniger des bewegungsauslösenden Pflanzenhormones freigesetzt. Je mehr des Hormons in Umlauf gelangt, desto mehr Blattfiedern werden erreicht.

Nicht alle Pflanzen dieser Art reagieren gleich. Stehen sie exponierter, so entwickeln sie eine gewisse Wind- und Berührungstoleranz. Der Sinn der Klappbewegungen ist nicht ganz klar. Schutz vor Wind und Regen wird diskutiert. Dies mag mit eine Rolle spielen, der Hauptgrund dürfte jedoch ein Fraßschutz gegen größere Insekten sein. Werden die Pflanzen im Zimmer gezogen, so berühren Sie sie nicht nach Herzenslust. Zu häufige Berührung vor allem der jungen Pflanzen führt zu deren Absterben.

Viel seltener als M. pudica wird auch ein Strauch aus dieser Gattung gezogen. Es ist dies die argentinische Mimosa polycarpa var. spegazzinii. Andere der ca. 480 einjährigen bis strauchigen Arten sind höchstens in botanischen Gärten zu finden.

… falsche Mimosen

Wer Mimose hört, denkt oft an gelbe Blüten. Die Mimosen der Floristik, der Italiener und Australier sind jedoch Akazien. Die Ähnlichkeit und die schwach ausgeprägte Reizbarkeit der Blätter gab der Mimosen-Akazie (Acacia dealbata) ihren Namen. Ursprünglich stammt sie wie viele Akazien-Arten aus Australien, genauer aus Queensland, New South Wales, Victoria sowie Tasmanien. In Südeuropa ist die Art eingebürgert. Es handelt sich um einen bis 20, in Europa bis 10 m hohen Baum mit bei vollsonnigem Standort silbrig blaugrüner Beblätterung.

Akazien

Die Gattung Acacia ist sehr umfangreich. Mit stolzen 1200 Arten ist sie ziemlich unüberschaubar. Ihr Hauptverbreitungsgebiet ist Australien, aber auch in Afrika spielen Akazien eine wichtige Rolle. Die für die ganze Familie typischen Fiederblätter sind auch bei Sämlingen immer ausgeprägt. Viele Arten australischer Trockengebiete jedoch bekommen bald einen eigenartig geflügelten Blattstiel. Bei größeren Pflanzen wird die gefiederte Blattspreite dann abgeworfen und durch den blattartigen Blattstiel ersetzt. Phyllokladien heißen solche Blätter in der Botanik. Im Vergleich mit den Fiederblättern ist die Verdunstung reduziert. Auch können diese Phyllokladien in die richtige Position zur Sonne gebracht werden, um die Verdunstung weiter zu drosseln. Die bekannteste dieser Arten ist die Weidenblatt-Akazie (A. cyanophylla), die im Mittelmeerraum eingebürgert ist und dort meist fälschlicherweise als A. saligna angesprochen wird, die aber eine andere Art ist.

Die Familie

Die Gattung Mimosa gab einer ganzen Familie den Namen: den Mimosengewächsen (Mimosaceae). Zu dieser zählen auch die Akazien. In den afrikanischen Regenwäldern besteht ein großer Teil der oberen Baumschichte bzw. der Übersteher aus Vertretern dieser Familie. Zu den schönsten tropischen Bäumen dieser Familie gehört die Gattung Parkia. Einen Vertreter durfte ich in Ghana am Naturstandort bewundern. Einige wenige Gattungen schaften es in gemäßigtere Breiten vorzudringen: Die Seidenakazie (Albizia julibrissin) kommt vom Iran über den Himalaya bis hin nach Japan vor. Sie besiedelt subtropische Tieflandregionen genauso wie winterkalte Berghänge. Dementsprechend gibt es einige mehr oder weniger winterfeste Sorten. Sumpf- und Wasserpflanzen gibt es in der Gattung Neptunia.

Charakterisiert ist die Familie dadurch, dass es sich fast ausschließlich um Holzgewächse handelt (auch Neptunien und einjährige Mimosen verholzen), durch die typischen doppelt paarig gefiederten Blätter und durch in meist ballförmigen Köpfchen angeordnete vier- bis fünfzählige, einzeln unscheinbare Blüten mit langen Staubgefäßen. Die Schauwirkung geht nicht von der Blütenkrone, sondern von eben diesen Staubgefäßen aus.
Mimosengewächse gehören zu den Hülsenfrüchtern oder Leguminosen, zu denen unter anderem auch die Familie der Schmetterlingsblütler (Fabaceae, syn. Papilionaceae) zählt. Diese haben auch Fiederblätter, aber einen anderen Blütenbau.

Agazibaam

Die Schmetterlingsblütler zeigen meist unpaarig gefiederte Blätter und die typischen Schmetterlingsblüten. Krautige Gewächse wie Bohne, Erbse oder Klee herrschen vor. Bei uns ist jedoch eine Baumart aus dieser Familie regelmäßig in Kultur. Die nordamerikanische Robinie (Robinia pseudoacacia) dürfte mit ihren gefiederten Blättern und ihren Dornen so ziemlich dem Bild entsprechen, das die Europäer bzw. Amerikaner vor und zu linneischer Zeit von Akazien hatten. Jedenfalls beschrieb Linné sie als eigene Gattung und wies im wissenschaftlichen Artbeinamen noch extra darauf hin, dass es sich eben um keine Akazie (pseudoacacia = falsche Akazie) handelt. Dennoch hielt sich der volkstümliche Name Akazie und die Agazibaam haben Literaturgeschichte geschrieben.

Gefährliches Unholz

Leider ist dieser Baum auch eines unserer größten ökologischen Probleme. Er reichert Stickstoff im Boden an, bis es zu einer potentiell grundwasserschädigenden Konzentration kommt. Damit hält er sich Konkurenten vom Leib, denn nur wenige Pflanzen überstehen diese Überdüngung. Der Unterwuchs von Robinienhainen ist durch Dominanz von Brennessel und Klettlabkraut, an trockenen Stellen Osterluzei und Schöllkraut gekennzeichnet. In der Strauchschicht kann sich nur Schwarzer Holunder behaupten. Andere Bäume werden durch Überdüngung geschädigt. Vor allem Eichen kommen nicht mehr rechtzeitig zum Holzabschluß, was zu Frostschäden und in weiterer Folge zu Sekundärinfektionen führt, bis der Baum abstirbt. Lediglich Eschen werden durch Robinien gefördert und können sie sogar verdrängen.

Robinien werden auch dadurch gefährlich, dass sie Standorte besiedeln, die von Natur aus baumfrei wären und speziell angepaßte Tier- und Pflanzenarten beherbergen, die durch Beschattung und Überdüngung verschwinden.
Ausläuferbildung sorgt dafür, dass dieser Baum einen Standort rasch in einen ganzen Wald verwandeln kann, leichte, blattartige Hülsen werden vom Wind weit verblasen und streuen unterwegs die Samen aus. Zumindest in einigen niederösterreichischen Gemeinden wird die Auspflanzung durch jährlich über das Gemeindeamt günstig erhältliche Setzlinge gefördert, ohne dass die niederösterreichische Naturschutzabteilung bisher Zeter und Mordio geschrien hätte. Das gilt es abzustellen!

Vernünftige Alternativen

Obwohl vor hundert Jahren noch selten kultiviert, können sich die Weinviertler ihre Kellergassen nicht mehr akazienfrei vorstellen. Auch forstlich wird der Baum wegen hervorragender Holzqualität verwendet. Dabei ließe sich das Problem durch samensterile Sorten zumindest lokal begrenzen. Betriebe vermehren sowieso nicht über Samen. Sterile Sorten sind z.B. durch Bestrahlung, Colchizinbehandlung oder durch Hybridisierung erzielbar. Eine solche Hybride ist in Europa bereits selten in Kultur: R. x holdtii (R. luxurians x pseudoacacia).

Rosenakazie

Im Osten Europas wird eine zweite Art der nordamerikanischen Gattung gefährlich, die bei uns aber eine interessante Zierpflanze ist: die Rosenakazie (Robinia hispida) ist ein dunkel rosa blühender Strauch für vollsonnige aber geschützte Lagen. Die Art ist jedoch stark dornig. Mit Ausläufern muß man sich aber doch herumschlagen, ähnlich wie bei Flieder oder Sanddorn.

Bewegliche Verwandte

Auch unter den Schmetterlingsblütlern gibt es bewegliche Pflanzen. Die Teleraphenpflanze (Desmodium motorium) ist selten in Botanischen Gärten zu bewundern. Sie stammt aus Indien, Sri Lanka und von den Phillippinen. Die Blätter sind dreiteilig und sehen aus wie ein Mittelding zwischen Bohnen- und Kleeblatt. Aus bisher unbekannter Ursache beginnen die beiden seitlichen Blättchen immer wieder in unterschiedlicher, teils beachtlicher Geschwindigkeit zu rotieren. Da die wie die Sinnpflanze kurzlebige Art nicht sonderlich attraktiv ist, hat sie es nicht in das Sortiment unserer Pflanzenbetriebe geschafft. Aber vielleicht wäre die einzigartige Bewegung Kaufgrund genug. Vielleicht findet sich ja ein Betrieb der es versucht.

Kurztipp
Schamhafte Sinnpflanze (Mimosa pudica)

Die Sinnpflanze ist häufig als Samen erhältlich. Diese werden in normale Blumenerde ausgesät und feucht sowie warm (mindestens 20 °C) gehalten. Die Pflanzen benötigen viel Licht, mögen allerdings als Sämlinge keine pralle Mittagsbesonnung. Zu häufiges Berühren bringt die Sämlinge zum Absterben. Als tropische Pflanze ist sie nur für Zimmerkultur geeignet, kann also auch das ganze Jahr über gesät werden, außer ohne Zusatzbeleuchtung in den finstersten Wintermonaten. Schon mit 20 cm Höhe kann sie blühen. Meist hält die Pflanze nicht sehr lange durch, vor allem wenn häufige Berührung und die lichtarme Jahreszeit die Pflanze schwächen. Wird sie jedoch wenig bedrängt, so hält sie mitunter mehrere Jahre durch. Die Temperaturen sollten nicht dauerhaft unter 18 °C liegen. Ein Sommeraufenthalt im Freien ist daher nur von Mitte Mai bis Ende August empfehlenswert. Das verwendete Substrat soll kalkfrei sein.